Birmas Suu Kyi zum Jahrestag ihres Wahlsieges vor Gericht

Der Zynismus der Generäle

Der 27. Mai ist ein trauriges Datum für die birmanische Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi und auch für das birmanische Volk. Dabei stand der Tag - zumindest vor 19 Jahren - im Zeichen des Glücks; ganz Birma befand sich im Freudentaumel. Suu Kyi und ihre Partei "Nationale Liga für Demokratie" hatten die ersten freien Wahlen seit dem Militärputsch 1962 gewonnen. Doch die Freude über den Sieg und die vermeintliche Rückkehr der Demokratie währte nur kurz. Die Generäle der Militärjunta erkannten das Wahlergebnis nicht an; die gewählten Abgeordneten wurden verhaftet, Suu Kyi unter Hausarrest gestellt.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Und der gilt, bis auf einige kurze Unterbrechungen, bis heute. Dabei wäre die jetzige Arrestperiode nach birmanischem Recht an diesem Mittwoch, dem 27. Mai, zu Ende gewesen. Die Militärjunta freilich sieht das anders - zumal Suu Kyi derzeit der Prozess gemacht wird, weil sie den US-Amerikaner John Yettaw in ihr Haus gelassen und damit gegen Auflagen des Arrests verstoßen haben soll.

Man habe die Tochter des Unabhängigkeitshelden Aung San aus humanitären Gründen am 27. Mai freilassen wollen, erklärte ein Regierungsvertreter am Dienstag. Mit dem laufenden Prozess habe sich die Lage jedoch geändert. Dass sie vor Gericht stehe und mit bis zu fünf Jahren Haft rechnen müsse, habe sie allein sich selbst zuzuschreiben, so die Lesart der Regierung.

Suu Kyi weist die Vorwürfe von sich. Der US-Amerikaner habe sich gegen den Willen der Friedensnobelpreisträgerin zwei Tage bei ihr aufgehalten, so ihre Anwälte. Verteidigung und Opposition wähnen eine Verschwörung. Man habe nach einem Vorwand gesucht, um Suu Kyi im Vorfeld der für 2010 geplanten Wahlen weiter unter Verschluss zu halten.

Vorwürfe werden laut, das Urteil stehe bereits fest. «Die Barrikaden vor ihrem Haus sind bereits entfernt worden. Die wissen jetzt schon, dass sie nicht zurückkommen wird», schreibt etwa das Exil-Nachrichtenmagazin «Irrawaddy» auf seiner Webseite.

Auch international wird deutliche Kritik formuliert. Westliche und asiatische Regierungen, Hollywood-Promis und Nobelpreisträger, Hunderttausende Menschen weltweit fordern die sofortige Freilassung Suu Kyis und der übrigen politischen Gefangenen in Birma. Doch die Junta zeigt sich unbeeindruckt, spricht von Einmischung in innere Angelegenheiten.

Schon in den vergangenen Jahrzehnten erwies sich die Regierung immun gegen internationale Kritik, Sanktionen und Isolierung - nicht zuletzt, weil sie in Indien, Russland und vor allem China mächtige Freunde hat. Die machen gute Geschäfte mit dem Regime, das die Ressourcen des Landes - Öl, Gas, Edelsteine und Holz - bereitwillig verkauft und sich an dem Profit bereichert. Zugleich ist Birma, das einst als «Reisschale Asiens» galt, eines der ärmsten Länder der Welt geworden.

Ein explosive Mischung, die durch den Umgang mit Suu Kyi leicht entzündet werden könnte. Birmanische Exilpolitiker zumindest schließen nicht aus, dass es im Fall einer Gefängnisstrafe der Oppositionsführerin zu Unruhen und Protesten in der Bevölkerung kommen könnte - obwohl bislang Massenaufstände wie etwa die vor zwei Jahren von Mönchen angeführten Aktionen oder die Studentenrevolte vor mehr als 20 Jahren blutig niedergeschossen wurden. Trotz dieses Risikos warnt NLD-Mitglied Win Hlaim: «Es wird wieder Proteste und Aufstände geben, die vielleicht sogar in einem Bürgerkrieg enden.»