Hebammen fordern mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen

Geliebter Beruf mit geringer Entlohnung

"Eine Geburt zu begleiten, ist etwas Tolles", sagt Nadja Filous. Die 31-jährige Hebamme erlebt aber auch die Schattenseiten ihres Berufs: viel Verwaltung, zu wenig Zeit für die Betreuung der Frauen und eine geringe Bezahlung. Das Anfangsgehalt einer Kreißsaalhebamme beträgt im Westen Deutschlands etwa 1.800 Euro brutto, in Mecklenburg-Vorpommern sind es rund 1.400 Euro. Mit einer Unterschriftenaktion setzt sich der Deutsche Hebammenverband für höhere Honorare und bessere Arbeitsbedingungen für Hebammen ein. Am 5. Mai ist internationaler Aktionstag der Hebammen.

Autor/in:
Annette Scheld
 (DR)

Regina Hoppe, ebenfalls Hebamme, hat dem Kreißsaal nach fast 20 Jahren den Rücken gekehrt. «Dort war zu viel Unruhe, und die Möglichkeiten, die Frauen bei der Geburt zu begleiten, waren begrenzt», sagt die 55-Jährige. Jetzt arbeitet sie in der Schwangerenberatung und auf einer Schwangerenstation einer Klinik. Was ihr da aber fehlt, ist der direkte, körperliche Kontakt zu den Frauen. «Mir fehlt das Gefühl am Damm, denn die Hände sind das Handwerkszeug der Hebammen.»

In Deutschland kommen die meisten Kinder in Krankenhäusern zur Welt. In Ballungszentren entsteht eine absurde Situation: Die Krankenhäuser werben mit Hochleistungsmedizin, Komfort, Familienzimmern und alternativen Behandlungsmethoden um die weniger werdenden Mütter. Gleichzeitig sind die Kreißsäle personell so knapp besetzt, dass eine Hebamme oft mehrere Gebärende gleichzeitig betreuen muss.

Auch freiberuflich tätige Hebammen seien stärker gefordert, sagt Susanne Lohmann, Vorsitzende des Hebammenverbandes, in dem etwa 17.000 der 19.000 in Deutschland tätigen Hebammen organisiert sind. «Durch die Verkürzung der Aufenthaltszeiten der Frauen in den Krankenhäusern brauchen sie nach der Geburt mehr Hebammenhilfe zu Hause.» Täglich pendeln Hebammen zwischen Hausbesuch und Kreißsaal, Wochenstation und Geburtshaus. Ein aufreibendes Pensum.

Viel habe sich in den vergangenen 30 Jahren in der Geburtshilfe verändert, sagt Regina Hoppe. «Durch die Intensivmedizin kann Frühchen besser geholfen werden.» Aber auch die Haltung der Frauen habe sich verändert: «Sie verlassen sich darauf, dass ihnen geholfen wird.» Hinzu komme, dass in der Schwangerenvorsorge häufig Ängste geschürt würden. «Dadurch sinkt das Vertrauen in die eigene Kraft zu gebären», kritisiert die Verbandsvorsitzende Lohmann.

Hebammen wollen den Frauen Mut zusprechen, ihnen Sicherheit und Nähe geben, so dass sie so selbstbestimmt wie möglich gebären können. «Ich habe ein Gespür dafür, wenn Frauen mich brauchen, auf meine Sensibilität und Intuition kann ich mich verlassen», sagt Regina Hoppe. Die Entscheidung, ihren früheren Beruf als Musikalienhändlerin aufzugeben und Hebamme zu werden, habe sie nie bereut. Auch Nadja Filous, die seit einem Jahr in Elternzeit ist, freut sich, bald wieder an ihren Arbeitsplatz zurückkehren zu können. Sie möchte wieder im Kreißsaal arbeiten, sie vermisst die Geburten. Ihren Sohn hat sie zu Hause entbunden - mit Hilfe einer Hebamme.