Weihbischof em. Grave über die Rolle der Kirche am Tag der Arbeit

"Nicht resignieren!"

Ob man den ersten Mai als Tag der Arbeit begeht oder - wie in Nordrhein-Westfalen - als "Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden. Sozialer Gerechtigkeit. Völkerversöhnung und Menschenwürde." Der erste Mai spricht durchaus kirchliche Themen an - betont Franz Grave. Der emeritierte Weihbischof war im Bistum Essen jahrzehntelang für Gesellschaft und Weltkirche zuständig. Kirche solle sich zum Thema Arbeit äußern, sagt Grave - auch und gerade am 1. Mai.

Autor/in:
Volker van Haaren
Weihbischof em. Franz Grave am domradio-Mikrophon (DR)
Weihbischof em. Franz Grave am domradio-Mikrophon / ( DR )

In der von vielfältigen Arbeitskrisen geschüttelten Region bekleidete Franz Grave unter anderem das Amt des Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung KAB.

"Christen zu zögerlich"
Grave: "Wir sind manchmal als Christen ein wenig zu zögerlich in dieser Frage, als wäre eine Erste-Mai-Veranstaltung im Bereich der Kirche eine Gegenveranstaltung zu den Mai-Veranstaltungen des DGB. Das sehe ich ganz anders. Der DGB und die Gewerkschaften insgesamt haben den 1. Mai als einen Arbeiter-Tag geprägt, wo sie entsprechende aktuelle Themen in der Öffentlichkeit zur Sprache bringen. Das ist gut so. Aber wir haben doch in der Kirche den 1. Mai als den Gedenktag eines Heiligen, nämlich Josephs, des Arbeiters. Unter diesem Titel ist das Fest in der Liturgie ganz selbstverständlich, und an diesem Tag wird in der Kirche aus dem Gedankengut der katholischen Sozial-Bewegung, aber viel mehr noch aus den Heiligen Schriften des Alten und Neuen Testaments Gedanken zur Arbeit artikuliert."

Und angesichts der drohenden Massenarbeitslosigkeit fordert Garve auf, dies noch wir kräftiger zu tun, "weil die Arbeitslosigkeit ja zum Beispiel in den kommenden Wochen und Monaten weiter als eine dramatische Entwicklung auf uns zukommen wird. Die Frage ist, wie können wir bei der negativen Entwicklung der Arbeitslosen-Statistik um Arbeit bemüht bleiben. Und was können wir tun, um Arbeitsplätze zu erhalten und was können wir tun, um Ausbildungsplätze zu schaffen."

Ketteler und Nell-Breuning statt Marx und Engels
Die Antwort sucht Grave aber weniger bei Karl Marx und Friedrich Engels - eher beim Mainzer Arbeiter-Bischof Ketteler und dem Jesuiten Oswald von Nell-Breuning. Der KAB-Gründerbischof und Nell-Breunig waren jeweils in ihrer Zeit die herausragenden Vertreter der Katholischen Soziallehre. Entstanden ist diese kirchliche Antwort auf die Probleme der Industrialisierung Mitte des 19 Jahrhunderts - etwa zur gleichen Zeit wie der Marxismus:

"Die katholische Soziallehre ist nach meiner Überzeugung nicht verstaubt, sie verstaubt nur, wenn man sie nicht benutzt und in der Ecke liegen lässt. Aber es ist ganz richtig, dass die katholische Soziallehre in den letzten Wochen und Monaten mehr und mehr auch wieder auferstanden ist. Erzbischof Marx von München hat ja gerade in seiner neuen Publikation  "Kapitalismus"  ganz intensiv auf die Prinzipien der katholischen Sozial-Lehre hingewiesen."

Die sind gerade jetzt in der Wirtschaftskrise wertvoll - glaubt Grave, und das sei auch etwas, das man zum ersten Mai ruhig noch mal sagen sollte. Die Felder von Arbeit, Arbeitsmarkt, Finanzen und Finanzmarkt seien keine ethikfreien Bereiche - hier hätten Kirche und auch Gewerkschaften durchaus gemeinsamen Boden.

"Inzwischen wächst eben auch das Bewusstsein, dass eine Ökonomie, eine Geldwirtschaft, die ethisch orientiert ist, die beste Geldwirtschaft ist. Denn es geht schließlich um den Menschen, und in der Perspektive des Menschen kann man nicht einfach nur pragmatisch handeln, und kann man sicherlich nicht nur finanziell und dem Kapital nach handeln, sondern man muss menschenwürdig handeln, und man muss die Grundprinzipien des Menschen in der Gesellschaft anerkennen und anwenden."

Eben das leiste die Katholische Soziallehre, sagt Grave - Sie tue dies allerdings nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern vermittle eine positive Botschaft. Dies sei zum einen die Subsidarität: das Prinzip, sich selbst zu helfen und erst bei Schwierigkeiten staatlichen Beistand zu erbitten. Andererseits stehe zentral, dass der Mensch eben als Mensch gesehen werde und nicht als Mittel zur Profitmaximierung.

"Das Leben gelingt nur im Miteinander"
"Erstens: der Mensch ist Person, zweitens: als Person ist der Mensch in eine Gemeinschaft von Mit-Personen eingebunden. Das Leben gelingt nur im Miteinander. Und es gilt das Wort der Solidarität wir sind solidarisch verbunden, und wenn Not ist, helfen wir uns.

Wobei Grave das Boot durchaus groß umfasst - für einen Fachmann für Gesellschaft und Weltkirche ist das ja auch nicht weiter verwunderlich. Wir leben in globalisierten Zeiten, die Wirtschaftskrise trifft nicht nur uns, und sie trifft uns nicht am härtesten. Auch da haben Franz Grave und Josef der Arbeiter eine Botschaft:

"Was ich am 1. Mai auch gerne in Erinnerung rufen möchte, ist, dass wir bei all der Not, die wir unter Umständen auf uns zukommen sehen, nicht resignieren; und ass wir dabei die Eine Welt nicht aus dem Blick verlieren. Wir leben in Europa im Weltmaßstab immer noch auf sehr hohem Level  und haben die Verantwortung - gerade als Kirche als erster Global-Player - für die weltweite Solidarität  mitzutragen."