Rot-Rot nach Scheitern des Volksentscheids zu Gesprächen mit Kirchen bereit - Wowereit kartet nach

(Nicht nur) Zeichen der Versöhnung

Nach dem Scheitern des Berliner Volksentscheids über die Einführung eines Wahlpflichtfachs Religion/Ethik gibt es zwischen dem Senat und den Kirchen Anzeichen der Versöhnung. SPD-Landeschef Michael Müller und Linksfraktionschefin Carola Bluhm signalisierten am Montag die Gesprächsbereitschaft der Landesregierung bei der Gestaltung des Pflichtfachs Ethik. Auch die Kirchen zeigten sich gesprächsbereit. Bürgermeister Wowereit jedoch kartet nach.

 (DR)

Mit dem Scheitern des Volksentscheids bleibt das 2006 eingeführte Fach Ethik Pflicht in den Schulen. Religion ist hingegen weiterhin ein freiwilliges Unterrichtsfach im Unterschied zu fast allen Bundesländern.

Nach Einschätzung des Regierenden Berliner Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) hat das Engagement für die Volksinitiative «Pro Reli» den Kirchen in der Stadt geschadet. Nur etwa 14 Prozent der Berliner hätten am Sonntag für die Gleichstellung des Religionsunterrichts mit dem Fach Ethik gestimmt, sagte Wowereit am Montag im Deutschlandfunk.

Der Vorsitzende von «Pro Reli», Christoph Lehmann, habe eine Kampagne initiiert und nun eine «schallende Ohrfeige» bekommen, sagte Wowereit. Insbesondere über den polarisierenden Kurs des evangelischen Landesbischofs Wolfgang Huber müsse die Kirche nun intern diskutieren. Die SPD stehe zu den Kirchen in dieser Stadt. «Aber auch der Staat hat das Recht, Werte zu vermitteln», bekräftigte Wowereit sein Festhalten am gemeinsamen verpflichtenden Ethikunterricht für Berliner Schüler.


Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat den Ausgang des Volksentscheids bedauert. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm fügte am Montag hinzu, die Entscheidung sei aber gefallen und zu respektieren.

Über die Inhalte, den Lehrplan und die Ausbildung der Lehrer für das erst 2006 eingeführte Fach Ethik müsse «mit Sicherheit» noch geredet werden, sagte dagegen Landeschef Müller. Auch die Frage, welchen Raum das Wissen über Religionen im Ethik-Unterricht habe, sei zu klären. Müller räumte ein, dass er im Zusammenhang mit dem Volksentscheid auf einige Probleme des Ethik-Unterrichts aufmerksam geworden sei: «Offensichtlich ist da noch nicht alles rund.» Da könne man im Unterricht noch manches verbessern, und «darauf wollen wir gerne reagieren und dazu auch Gespräche führen», betonte der SPD-Politiker.

Bluhm sagte, man müsse jetzt sehen, wie die «scharf geführte Debatte um den Religionsunterricht produktiv gemacht werden kann». Sie schloss nicht aus, sich die Lehrpläne nochmals auf Verbesserungen hin anzusehen. Außerdem sollte geprüft werden, in Berlin einen Lehrstuhl für islamische Theologie einzurichten.

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) hob hervor, dass die im Schulgesetz verankerte Möglichkeit einer Kooperation von Ethik- und Religionsunterricht verstärkt weiterentwickelt werden sollte. Derzeit gibt es nach Angaben der evangelischen Kirche an rund 60 Schulen Kooperationsmodelle, wobei die Zusammenarbeit im Ermessen der einzelnen Schule liege. Laut katholischer Kirche würden Kooperationen erprobt. Zahlen nannte sie nicht.

Der Sprecher des Erzbistums Berlin, Stefan Förner, bekräftigte die Auffassung der katholischen Kirche, dass Religionskunde im Ethikfach «extrem zu kurz kommt». Wenn die Einsicht bestehe, das zu ändern, werde es an der Kirche nicht scheitern. Beide Seiten müssten sich dazu in Ruhe zusammensetzen. Zugleich sei auch der Religionsunterricht, der weiter freiwillig ist, «noch nicht überall so gut, wie wir uns das wünschen», räumte Förner ein. Seine Qualität bleibe auch künftig ein Thema.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, der gescheiterte Vorstoß der Initiative Pro Reli zeige auch die Grenzen von Plebisziten auf. Volksentscheide müssten komplexe Probleme auf die Frage «Ja oder Nein» reduzieren. «Das ist aber häufig die falsche Frage», sagte Körting. In vielen Dingen sei es notwendig, dass das Parlament einen ausgleichenden Kompromiss zwischen unterschiedlichen Interessen finde.

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