Anscheinend Entscheidungen zu Spätabtreibung und Patientenverfügung schon im Mai

Unverhofft kommt oft

Der Bundestag soll nach dem Willen der Koalitionsfraktionen im Mai über Gesetzentwürfe zu den Themen Spätabtreibung und Patientenverfügung abstimmen. Darauf verständigten sich Union und Sozialdemokraten, wie SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Mittwoch in Berlin sagte. Während sich die Fraktionen bei den Patientenverfügungen näher kommen, dauern die Bemühungen um eine Einigung beim Thema Spätabtreibungen an.

 (DR)

Fachpolitiker aller Seiten beschäftigen sich seit Jahren mit beiden ethischen Themen, bei denen kein Fraktionszwang besteht und die Abgeordneten frei nach ihrem Gewissen entscheiden können. Oppermann sagte, das Parlament solle voraussichtlich in der ersten, spätestens der zweiten Mai-Woche über das Thema Spätabtreibungen und Ende Mai zu Patientenverfügungen entscheiden.

Mit Patientenverfügungen können Menschen vorab festlegen, wie sie im Fall von schwerer Erkrankung und Nichteinwilligungsfähigkeit behandelt werden wollen. Das Parlament diskutiert das Thema seit bald sechs Jahren. Zu ihrer rechtlichen Regelung liegen dem Bundestag jeweils fraktionsübergreifend formulierte Entwürfe vor, zwischen denen es seit einer Reihe von Monaten keine Bewegung mehr gibt. Oppermann sagte, das Interesse der Union an einer Regelung nehme «von Tag zu Tag ab».

Zugleich dauerten die Bemühungen um eine weitere Verständigung beim Thema Spätabtreibung an. An diesem Donnerstag steht ein erneutes Treffen der zuständigen Familienpolitiker an. Johannes Singhammer (CSU) mahnte, «es würde kein Mensch in Deutschland verstehen, wenn der vorliegende Gesetzentwurf im Nirwana der Diskontinuität verschwinden würde». Eine gesetzliche Änderung bei Spätabbrüchen wäre auf jeden Fall ein wichtiger parlamentarischer Erfolg, sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Nach Singhammers Angaben ist für den 6. Mai die abschließende Behandlung des Themas im Familienausschuss vorgesehen; es spreche nichts dagegen, dass Thema bereits einen Tag später im Plenum abzustimmen.

Am Dienstag hatte SPD-Fraktionsvize Christel Humme, die sich bislang vehement gegen jede gesetzliche Regelung gewandt hatte, einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der vor allem ein besseres Beratungsangebot für Schwangere zum Ziel hat. Er steht in Konkurrenz zu einem Gruppenentwurf von Union, FDP und einer rot-grünen Gruppe um die SPD-Abgeordnete Kerstin Griese. Sie streben, wie Singhammer sagte, unter anderem eine dreitägige Bedenkzeit zwischen vorgeburtlicher Diagnose einer Behinderung des Kindes und einer möglichen Indikationsstellung, eine Beratungspflicht des Arztes und ein Beratungsrecht der Schwangeren an.

Der CSU-Politiker sprach von «entscheidenden Unterschieden» zum Humme-Konzept. In einer weiteren Abstimmung sollten die Abgeordneten dann über die statistische Erfassung von Spätabbrüchen entscheiden. Diesbezüglich konnten sich die Fachpolitiker von Union, FDP und SPD nicht verständigen.

Als Spätabtreibung gelten Abbrüche ab der 23. Schwangerschaftswoche. Im vorigen Jahr betrug deren Zahl laut offiziellen Angaben 231, Expeten gehen aber von weit höheren Zahlen aus. In aller Regel stehen sie im Zusammenhang mit einer schweren Behinderung oder mangelnder Lebensfähigkeit des Kindes. Bei einer Bundestagsanhörung im März hatte sich die Mehrzahl der Fachleute für eine Gesetzesänderung ausgesprochen.