Boykott der UN-Konferenz trifft auf Beifall und Kritik

Ohne Deutschland nach Genf

Während der Heilige Stuhl an der von Montag bis Freitag im schweizerischen Genf tagenden UN-Antirassismuskonferenz teilnehmen wird, hat Berlin am Sonntagabend seine Absage bekannt gegeben. Zuvor hatten bereits die USA und andere europäische Staaten abgesagt. Der Vatikan dagegen hat Vertreter nach Genf entsendet - Papst Benedikt XVI. hatte gestern auf die Wichtigkeit der Konferenz hingewiesen.

 (DR)

Das Fernbleiben Deutschlands, der USA und anderer westlicher Staaten von der UN-Konferenz gegen Rassismus in Genf hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon kritisierte die Entscheidung am Montag bei der Eröffnung der Konferenz in Genf. Er bedauere zutiefst, dass einige sich entschlossen hätten, beiseite zu treten.

Die westlichen Staaten befürchten, dass die Konferenz von islamischen Ländern für antiisraelische Propaganda missbraucht werden könnte. Schon die Vorgängerkonferenz 2001 in Durban war deshalb mit einem Eklat zu Ende gegangen. Umstritten ist auch der Auftritt des iranischen Präsidenten Mahmut Ahmadinedschad.  Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner kündigte an, der Vertreter seines Landes werde die Konferenz sofort verlassen, wenn es zu rassistischen Äußerungen gegen Israel komme.


Berlin könnte später einsteigen
Die Bundesregierung schließt allerdings eine spätere Teilnahme an der UN-Antirassismuskonferenz nicht aus. Bei einer positiven Entwicklung werde Deutschland eventuell im Lauf der Woche "noch einsteigen", sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg am Montag vor Journalisten in Berlin. Die Konferenz findet bis Freitag in Genf statt.

Zugleich bekräftigte Steg die deutschen Vorbehalte. "Wir wollen nicht die Kulisse hergeben für eine umfunktionierte Veranstaltung", sagte er. Die deutsche Seite befürchte, dass die Konferenz missbraucht werde für Hasstiraden, Schmähreden und antiisraelische Ausfälle.

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok begrüßte die Absage Deutschlands. Eine Beteiligung hätte das zu erwartende Konferenzergebnis legitimiert, sagte der Europaabgeordnete der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Brüssel. Brok widersprach damit dem CDU-Außenexperten Willy Wimmer. Dieser hatte zuvor im Deutschlandfunk erklärt, man könne die Teilnahme nicht davon abhängig machen, ob ein Redner einem passe.

Brok, früherer Vorsitzender des Außenausschusses des Europaparlaments, bedauerte, dass die EU keine gemeinsame Haltung gefunden habe. Das zeige, dass der Vertrag von Lissabon dringend in Kraft gesetzt werden müsse. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft habe offenbar nicht die nötige Autorität gefunden, um eine gemeinsame Entscheidung herbeizuführen. Das sei eine Folge der innenpolitischen Lage, so Brok unter Hinweis auf das erfolgreiche Misstrauensvotum gegen die Regierung in Prag.

Nötig sei ein gemeinsamer EU-Außenminister, um Entscheidungen der EU nicht von solchen innenpolitischen Zufälligkeiten abhängig werden zu lassen. Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Werner Hoyer, erklärte, die EU blamiere sich bis auf die Knochen. Für die EU-Außenpolitik sei dies der "größte anzunehmende Unfall".

Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), verteidigte die Absage. Der Entwurf des Schlussdokuments sei zwar hinnehmbar, sagte er dem Online-Auftritt der "Frankfurter Rundschau". Allerdings habe große Unsicherheit darüber bestanden, wie die Konferenz tatsächlich verlaufen würde. Als völlig inakzeptabel bezeichnete es Nooke, dass deutsche Regierungsvertreter die Kulisse bilden könnten für antisemitische Hetzreden des iranischen Staatspräsidenten.

Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte den Verzicht Deutschlands. Vizepräsident Dieter Graumann äußerte auf "handelsblatt.com." zugleich heftige Kritik an der EU: "Dass Europa sich hier so uneinig zeigt, ist eine Schande."

Der Interkulturelle Rat in Deutschland sprach dagegen in Darmstadt von einem "Bärendienst" an den Menschenrechten. Bei einem tatsächlich inakzeptablen Verlauf der Konferenz hätte die deutsche Delegation die Konferenz vorzeitig verlassen können. Dieses Druckmittel sei nun aus der Hand gegeben worden.

Auch die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" (HRW) zeigte sich enttäuscht. Der ausgehandelte Kompromiss im Abschlussdokument habe allen Bedenken der Europäer Rechnung getragen, sagte die deutsche HRW-Direktorin Marianne Heuwagen FR-online. Die Bundesregierung überlasse es nun Staaten wie Iran und anderen, über die Fortschritte beim Kampf gegen Rassismus zu urteilen.

Kampf gegen jede Form von Diskriminierung
Papst Benedikt XVI. hat mit Blick auf die Antirassismuskonferenz zum Kampf gegen jede Form von Diskriminierung und Intoleranz aufgerufen. Eine sichere Grundlage dafür sei eine Anerkennung der Würde des Menschen als Gottes Ebenbild, sagte er am Sonntag beim Mittagsgebet in Castelgandolfo. Der Papst nannte die Konferenz eine "wichtige Initiative". Trotz der Lehren der Geschichte gebe es noch immer beklagenswerte Fälle von Diskriminierung. Benedikt XVI. verlangte ein "entschlossenes und konkretes Handeln auf nationaler und internationaler Ebene", um Rassismus und Intoleranz zu überwinden. Zugleich forderte er "Respekt und Gerechtigkeit für jede Person und jedes Volk". Die Konferenzteilnehmer rief er zu Dialog und Offenheit auf.

Der Vatikan hatte angesichts der Kontroversen um den ersten Entwurf für ein Schlussdokument bereits Anfang März erklärt, die Teilnahme seines diplomatischen Beobachters bedeute keine Zustimmung zu den Inhalten des Textentwurfs. Eine Delegation des israelischen Großrabbinats forderte den Papst bei einem Besuch im Vatikan Mitte März auf, der Heilige Stuhl solle sich bei der UN-Konferenz in Genf gegen den "Angriff auf den jüdischen Staat" stellen.