Abschiebung des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers aus den USA nach München verzögert sich

Weiter Warten auf Demjanjuk

Nach der kurzfristig gestoppten Abschiebung des mutmaßlichen NS-Kriegsverbrechers John Demjanjuk aus den USA nach Deutschland ist der weitere zeitliche Ablauf völlig offen. Sein Pflichtverteidiger Günther Maull sagte am Mittwoch in München: "Wir hängen völlig in der Luft."

Autor/in:
Ulrich Meyer
 (DR)

Ein Berufungsgericht in Ohio hatte am Dienstag dem Einspruch des Sohnes des 89-Jährigen gegen die Abschiebung stattgegeben. Grund ist der schlechte Gesundheitszustand des alten Mannes. Beamte der Einwanderungsbehörde hatten Demjanjuk bereits aus seinem Haus in Cincinnati geholt und in Gewahrsam genommen. Das Flugzeug in Richtung München startete jedoch ohne ihn.

Maull will nun erneut eine medizinische Untersuchung durch einen deutschen Arzt in den USA erreichen. Der Anwalt sagte, er habe Fernsehaufnahmen vom versuchten Abtransport Demjanjuks in Cincinnati gesehen. Auf diesen Bildern habe sein Mandant einen sehr geschwächten und angeschlagenen Eindruck hinterlassen.

Zwar hätten die US-Behörden die Transportfähigkeit Demjanjuks bestätigt, doch das bedeute nicht viel. «Transportfähig ist auch eine tote Kuh, viel wichtiger ist, ob der Mann verhandlungsfähig ist», sagte Maull. Große Hoffnungen auf einen Erfolg seines Antrags mache er sich jedoch nicht, räumte er ein.

Die Staatsanwaltschaft München I hat gegen Demjanjuk einen Haftbefehl wegen Beihilfe zur Ermordung von mindestens 29 000 Menschen im Vernichtungslager Sobibor im besetzten Polen im Jahr 1943 erwirkt. Der gebürtige Ukrainer bestreitet die Vorwürfe.

Er befindet sich bereits seit mehreren Jahrzehnten im Visier der Nazi-Jäger. Demjanjuk wanderte nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges unerkannt in die USA aus. Als Ende der 70er Jahre seine mutmaßliche Mitwirkung am Holocaust bekannt wurde, lieferten ihn die USA 1986 an Israel aus.

Dort wurde er wegen einer Tätigkeit als Wachmann im nordöstlich von Warschau gelegenen Vernichtungslager Treblinka angeklagt. Der Prozess endete 1988 mit einem Todesurteil, doch der Oberste Gerichtshof Israels sprach Demjanjuk 1993 wieder frei, weil nicht sicher geklärt werden konnte, ob er wirklich der berüchtigte «Iwan» war.

Inzwischen sehen die deutschen Strafverfolger Demjanjuks Identität durch seinen ehemaligen SS-Dienstausweis als geklärt an. Das zunächst in Washington gelagerte Dokument wurde nach Deutschland gebracht und hier vom Bayerischen Landeskriminalamt auf seine Echtheit untersucht.

Erneut ins Rollen kam der Fall Demjanjuk durch Ermittlungen der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in Ludwigsburg. Es ist nun nach Angaben der Behörde erstmalig möglich, die Opfer aus Sobibor mit vollständigem Namen und Geburtsdatum zu benennen.