In L'Aquila beginnt die Rettung der Kunstschätze - Kirche gibt Millionen

Unabsehbare Verluste

Im italienischen L'Aquila hat die systematische Registrierung der kunsthistorischen Schäden an Kirchen und Museen begonnen. Am Montag bargen Spezialkräfte der Polizei gemeinsam mit Feuerwehrleuten und Zivilschutzeinheiten den Domschatz aus dem einsturzgefährdeten Diözesanmuseum. In L'Aquila gibt keine einzige Kirche, in der noch Gottesdienste gefeiert werden können. Die katholische Kirche in Italien hat ihre Erdbebenhilfe derweil auf fünf Millionen Euro aufgestockt.

 (DR)

Den größten Teil der historischen Goldschmiedearbeiten aus dem Diözesanmuseum habe man retten können, während mehrere Gemälde durch herabgestürzte Trümmer verloren seien, sagte Diözesansprecher Claudio Tracanna. Die geborgenen Kelche, Altarkreuze, Weihrauchfässer und Reliquien sollen dem Sprecher zufolge bei dem für Kulturschutz zuständigen Sonderkommando der Carabinieri in Rom eingelagert werden. Sie sollten so bald wie möglich nach L'Aquila zurückkehren. Derzeit gibt es den Angaben zufolge noch kein vollständiges Bild der kunsthistorischen Verluste in den Gotteshäusern. Die Schadensaufnahme werde voraussichtlich bis zum Wochenende dauern.

Sämtliche rund 40 Kirchen und Klöster im historischen Zentrum der Abruzzenhauptstadt seien schwer beschädigt, sagte Tracanna.
Besonders die Fassaden und die Vierungskuppeln über den Altären hätten beim Beben Schaden genommen. "Es gibt keine einzige Kirche, in der man noch zelebrieren kann", so der Sprecher.

Insgesamt existieren im Erzbistum L'Aquila rund 170 Pfarrkirchen von teils beträchtlichem kunstgeschichtlichen Wert. Bereits am Donnerstag war in der schwer beschädigten romanischen Kirche Santa Maria Di Collemaggio der Reliquienschrein des heiligen Einsiedler-Papstes Coelestin V. (1210-1296) unversehrt unter dem Gewölbeschutt gefunden worden.

Adoption von beschädigten Sakralen soll Kulturerbe retten
Die Kunsthistorikerin Elisabeth Bliersbach lebt in der Region Marque, rund 70 Kilometer nordöstlich des Epizentrums. Im domradio berichtet sie über ganze Gebäude, die als Kunstwerke galten und jetzt eingestürzt sind. Das spanische Kastell und mehrere Museen seien nicht begehbar und drohten weiterhin einzustürzen. Zusammengefallene Kirchen zwängen Einwohner zu Trauerfeiern in Zelten. Um zumindest die wirtschaftliche Lage für die kulturelle Touristen-Stadt abzufangen, schlägt der Vatikan nun die Adoption von Kunstschätzen vor. Die Rettung des künstlerisch-kulturellen Erbgutes solle von privaten Geldgeber unterstützt werden.

Italiens Kirche gibt fünf Millionen für Wiederaufbau
Die katholische Kirche in Italien hat ihre Erdbebenhilfe auf fünf Millionen Euro aufgestockt. Der Vorsitzende der nationalen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, kündigte bei einem Besuch in L'Aquila am Dienstag an, die schon bewilligten drei Millionen für den Wiederaufbau kirchlicher Einrichtungen zu erhöhen. Die Summe sei für ein neues Sozialzentrum des betroffenen Erzbistums und für die Sanierung des diözesanen Verwaltungssitzes bestimmt, sagte Bagnasco laut dem Online-Dienst der italienischen Tageszeitung "La Repubblica". Außerdem werde am kommenden Sonntag in allen katholischen Gottesdiensten des Landes für den gleichen Zweck gesammelt.

Bagnasco kündigte weiter an, zusätzlich Mittel aus dem Kirchen-Anteil an der staatlichen Kultursteuer "otto per mille" (0,8
Prozent) für die Bevölkerung in der mittelitalienischen Erdbebenregion bereitzustellen. Die der Kirchensteuer in anderen Ländern entsprechende Zuwendung ist die Haupteinnahmequelle der katholischen Kirche Italiens. Bagnasco verwies auf einen bereits bestehenden Posten für Katastrophenhilfe im Kirchenhaushalt. Von daher sei absehbar, dass entsprechende Beträge auch in die Abruzzen geleitet würden.

Zu dem von Papst Benedikt XVI. angekündigten Besuch in der Katastrophenregion machte Bagnasco keine präzisierenden Angaben. "Ich kenne den Termin noch nicht, ich glaube, er muss noch entschieden werden", sagte der Kardinal. Benedikt XVI. hatte am vergangenen Mittwoch angekündigt, er wolle das Erdbebengebiet "so bald wie möglich" besuchen. Unterdessen sind bei einer SMS-Spendenaktion laut "Repubblica" acht Millionen Euro für die Erdbebenhilfe zugunsten des staatlichen Zivilschutzes zusammengekommen.

Ostern in Trümmern
Überschattet von der Erdbebenkatastrophe hatten Katholiken in den italienischen Abruzzen das Osterfest begangen. In L'Aquila feierte Erzbischof Giuseppe Molinari am Sonntag die Ostermesse im Hof der Polizeikaserne, auf dem zwei Tage zuvor die Toten des Unglücks mit einem Requiem verabschiedet worden waren. Wie schon am Freitag reiste Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu dem Gottesdienst in die schwer beschädigte Abruzzen-Hauptstadt.

Auch in den 32 Zeltstädten um L'Aquila feierten Gläubige Messen zum Gedenken an die Auferstehung Jesu. Die Gottesdienste mussten im Freien stattfinden, weil die Kirchen zerstört sind oder aus Sicherheitsgründen nicht benutzt werden können. Papst Benedikt XVI. hatte auf Bitten von Gemeindepriestern Messgewänder, Kelche und Hostienschalen in das Notstandsgebiet geschickt, da vielfach auch die liturgischen Geräte unter Schutt begraben lieben. Ein katholischer Regionalsender und eine Buchhandlung aus dem norditalienischen Chiavari lieferten Messwein und 10.000 Hostien.

Erzbischof Molinari warnte in seiner Predigt vor "unfruchtbaren Polemiken" über die Verantwortung für das Ausmaß des Unglücks.
Stattdessen sollten die Bürger auf den "Strom der Solidarität" schauen, der aus allen Landesteilen in die Abruzzen komme, sagte der Oberhirte laut dem italienischen Fernsehen. Benedikt XVI. rief in seinen Ostergrüßen auf dem Petersplatz die italienische Nation auf, angesichts der Katastrophe zusammenzustehen. Der auferstandene Christus solle jedem "die Weisheit und den Mut schenken, um gemeinsam am Aufbau einer für die Hoffnung offenen Zukunft weiterzuarbeiten", sagte der Papst.