Millionen Christen gedenken am Karfreitag des Leidens Jesu

Jerusalem, Rom, Köln

Millionen Christen weltweit haben am Karfreitag des Leidens Jesu Christi gedacht. In der Jerusalemer Altstadt zogen Tausende Pilger entlang der "Via Dolorosa" bis zur Grabeskirche jenen Weg, den der Überlieferung nach vor rund 2.000 Jahren Jesus zur Kreuzigung ging. Auch in Deutschland begingen die Kirchen Karfreitag mit Gottesdiensten und Prozessionen. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner unterstrich in seiner Karfreitagspredigt Gottes Liebe zu den Menschen bis in den Tod. Papst Benedikt XVI. feierte einen von Stille und Ernst geprägten Gottesdienst im Petersdom. Am Abend betete er den traditionelle Kreuzweg beim Kolosseum.

 (DR)

Die Meditationen zu den 14 Stationen vom Garten Gethsemani bis zum Kreuz stammten dieses Jahr von dem indischen Erzbischof Thomas Menamparampil. Er formulierte seine Betrachtungen nach eigenen Worten als «Hymnus der Hoffnung». Während des Gebets trugen abwechselnd Katholiken aus unterschiedlichen Regionen der Welt ein schlichtes Holzkreuz auf den Palatin-Hügel. Von dort verfolgte Benedikt XVI. die Zeremonie.

Gegen Angst und globale Probleme riefen die Gebete zu «Hoffnung wider jede Hoffnung» auf. «Unter der Oberfläche von Naturkatastrophen, Kriegen, Revolutionen und Konflikten aller Art gibt es eine stille Gegenwart, ein zielgerichtetes göttliches Handeln. Sie bleibt verborgen in der Welt, in der Gesellschaft, im Universum», hieß es in dem Text des indischen Erzbischofs.

Anhand der Stationen des Leidenswegs Jesu riefen die Meditationen zu Mitleid mit Gegnern und Verzicht auf Gewalt auf. Menamparampil zitierte Franz von Assisi, Mahatma Gandhi, Rabindranath Tagore und Mutter Teresa. «Gewalt ist Selbstmord», hieß es in einer Betrachtung. Sie lasse sich nur mit «heilender Liebe» überwinden.

Ohne auf die Ausschreitungen militanter Hindus gegen Katholiken im vergangenen Herbst in Indien konkret einzugehen, sprach die Meditation von neuen Martyrien. «Jesus leidet weiter, wenn die Gläubigen verfolgt werden», hieß es. Träger öffentlicher Ämter mahnte der Text im Blick auf Pontius Pilatus zu furchtlosen Entscheidungen. Eine heute verbreitete «Gleichgültigkeit gegenüber der Wahrheit» beschädige Interessen des Menschen und der Familie.

Die Kreuzweg-Andacht beklagte eine öffentliche Verspottung von Werten und eine Glorifizierung der Banalität. Die Gegenwart werde Zeuge einer unfassbaren Gewalt gegen Frauen und Kinder, von ethnischen Konflikten, Folter und Menschenrechtsverletzungen. Nachdrücklich wies die Kreuzwegmeditation auf die Benachteiligung von Frauen in vielen Ländern der Welt hin. Zugleich erinnerte der Text an die Verantwortung für eine gemeinsame Zukunft und warnte vor Raubbau und Umweltverschmutzung sowie einer Aufgabe familiärer, ethischer und religiöser Werte.

Katholiken unterschiedlicher Nationen wechselten sich beim Tragen des schlichten schwarzen Holzkreuzes ab. Neben Roms Kardinalvikar Agostino Vallini und einer römischen Familie beteiligten sich eine junge Frau und zwei Ordensschwestern aus Indien, zwei Jugendliche aus Burkina Faso und zwei Franziskaner aus dem Heiligen Land. Stellvertretend für die Leidenden übernahmen ein junger Rollstuhlfahrer und ein Kranker gemeinsam mit Betreuern das Kreuz für einige Stationen.

Zuvor feierte Benedikt XVI. einen von Stille und Ernst geprägten Gottesdienst im Petersdom. Zu Beginn der Feier kniete das Kirchenoberhaupt vor dem Kreuz und verharrte in schweigendem Gebet. An dem Gottesdienst nahmen zahlreiche Kardinäle, Bischöfe und Vertreter des Diplomatischen Corps teil.

Auch in Deutschland begingen die Kirchen Karfreitag mit Gottesdiensten und Prozessionen. Am ältesten Kreuzweg des Landes, dem ökumenischen Kreuzweg in Lübeck, nahmen 600 Menschen teil. Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen mahnte dabei zum Einsatz für die Armen. Der Hunger in der Welt sei "ein Unrecht, das zum Himmel schreit", sagte der Erzbischof, der in der Deutschen Bischofskonferenz für das Hilfswerk Misereor zuständig ist. Die evangelische Hamburger Bischöfin Maria Jepsen rief dazu auf, den Karfreitag als "Tag des Gebets gegen jede Angst" zu nutzen.

Kardinal Meisner: Gott ist im Tod gegenwärtig
Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat in seiner Karfreitagspredigt Gottes Liebe zu den Menschen bis in den Tod unterstrichen. «Gott ist so sehr Liebe, dass er bis auf den Grund menschlichen Elends eintritt, um hier seine Liebe gleichsam explodieren zu lassen», sagte Meisner laut Predigttext im Kölner Dom in Erinnerung an den Kreuzestod Jesu. Mit seiner Hingabe an Gottvater bis in den Tod sei Christus kein Ersatz für uns Menschen, sondern trage die Schuld der Menschen in sich. «Er verkörpert uns wirklich. Er nimmt uns in sich auf», sagte der Kölner Erzbischof.

Meisner erinnerte an den Karsamstag als Tag der scheinbaren Abwesenheit Gottes. Gott sei auf der Erdoberfläche nicht mehr zu finden, er sei «hinabgestiegen in das Reich des Todes». Viele Menschen, die sich zu einer «Gott ist tot»-Ideologie bekennten, hätten an Karfreitag und Karsamstag ihr Zuhause gefunden. «Der Karsamstag ist der Ehrentag der Gottlosen», sagte der Kardinal und erinnerte zugleich an die bis in den Tod reichende Liebe Gottes . «Gott lässt niemanden los, auch wenn der Mensch ihn loslässt.»

Huber kritisiert eine Zunahme von Waffenexporten
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, kritisiert eine Zunahme von Waffenexporten aus Deutschland. Von einem Jahr zum anderen habe sich die Ausfuhr von Waffen um 13 Prozent erhöht, sagte er in seiner Karfreitagspredigt in Berlin. Damit sei Deutschland "Europameister des Waffenexports" und rangiere "in dieser Art von Geschäften direkt hinter den USA und Russland".

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick rief zur Solidarität mit dem Heiligen Land auf. Die Menschen dort litten unter vielen Kreuzen, vor allem den ständigen Gewaltausbrüchen. Der Münchner Erzbischofs Reinhard Marx mahnte, es gebe kein "Christsein unter Vorbehalt". Der Blick auf den gekreuzigten Gottessohn bewahre davor, den christlichen Glauben und seine Konsequenzen klein zu reden und zu banalisieren.

Der württembergische evangelische Landesbischof Frank Otfried July kritisierte in seiner Karfreitagspredigt Gleichgültigkeit in der Gesellschaft. In der Stuttgarter Stiftskirche rief er die Christen auf, "nicht aneinander vorbei auf Inseln des Egoismus und der Selbstbezogenheit zu leben". Der bayerische evangelische Landesbischof Johannes Friedrich sagte in Regensburg, Jesu Kreuzestod zeige, dass das Leid kein Betriebsunfall sei, sondern zum Leben dazugehöre. Gerade darin sei Gott anwesend.