Mehrheit findet Kinder schlechter erzogen als früher - Religion verliert an Bedeutung

Früher war alles besser?

Die Mehrheit der Bundesbürger wünscht sich laut einer Studie eine strengere Erziehung von Kindern. Fast 60 Prozent sind der Ansicht, dass der Nachwuchs heute schlechter erzogen ist als früher, berichtet das"Generationen-Barometer 2009". Ähnlich viele Befragte hielten Kinder für rücksichtsloser und unhöflicher. Laut der Studie verliert zudem religiöse Erziehung deutlich an Bedeutung.

 (DR)

Viele Eltern in Deutschland vermissen gesellschaftliche Anerkennung für ihre Erziehungsarbeit. Bei dem am Mittwoch in Berlin vorgestellten "Generationen-Barometer 2009" äußerten 62 Prozent der befragten Eltern, ihre Leistung werde unzureichend anerkannt. Zudem bewerteten viele Erziehende den wachsenden Medienkonsum von Kindern als Herausforderung. Medien hätten spätestens bei Kindern ab sechs Jahren mehr Einfluss als Eltern, Freunde oder Lehrer. Zu hohen Prozentzahlen wertschätzen Eltern das Familienleben und gemeinsame Aktivitäten.

Die Langzeitstudie "Generationen-Barometer" erstellt das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Mainzer "Forum Familie stark machen". Allensbach-Geschäftsführerin Renate Köcher sprach bei der Präsentation der Erhebung von einem tiefgreifenden Wandel der Eltern-Kind-Beziehung und veränderten Erziehungsstilen. Autoritäre Formen und körperliche Strafen wichen immer mehr einem auf Diskurs und Kompromisssuche ausgerichteten Stil.

Kinder erführen heute weitaus mehr Zuwendung als früher, so Köcher. Bei der Erziehung gehe es heute eher um die Entfaltung von Fähigkeiten, Wissensstärke und Emotionen; dagegen verlören Fleiß, Bescheidenheit und religiöse Orientierung an Bedeutung. Erziehung richte sich deutlich weniger als früher nach dem Geschlecht des Kindes. Bei der elterlichen Bewertung von Erziehungsleistungen schneiden Kindergärten ausgesprochen gut ab, Schulen dagegen schlecht. Während 64 Prozent der Eltern genug Engagement der Kindergärten bei der Erziehung sehen, liegt diese Zahl beim Thema Schule nur bei 23 Prozent. In der Gesamtbevölkerung sind dies 44 beziehungsweise 19 Prozent.

Religion immer unwichtiger

Laut Studie verliert religiöse Erziehung deutlich an Bedeutung.
Während 47 Prozent der über 60-Jährigen sie noch als wichtig erachteten, seien dies in der Gruppe der 30- bis 44-Jährigen noch 30 Prozent, unter den 16- bis 29-Jährigen lediglich 15 Prozent. Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) wandte sich dagegen, diese Zahlen zu verabsolutieren. "Klassische religiöse Werte" wie Respekt, Liebe oder Hilfsbereitschaft gewännen in der Erziehung an Bedeutung. Die Kirchen müssten sich der Herausforderung stellen, deutlich zu machen, welches Angebot hinter Religion stehe.

Von der Leyen kündigte unter Verweis auf die Ergebnisse weiter an, sie wolle in der nächsten Legislaturperiode eine Ausweitung der sogenannten Vätermonate bei der Elternzeit erreichen. Welchen Umfang das konkret haben werde, lasse sich jetzt nicht sagen. Als weitere Herausforderungen nannte sie es, Eltern mehr zeitliche Optionen für die Erziehung zu geben. Zugleich rief sie Eltern auf, sich den Herausforderungen der Computerwelt zu stellen.

Der Vorsitzende des "Forums Familie stark machen", Hubertus Brantzen, appellierte an die Eltern, ihren eigenen Medienkonsum kritisch zu hinterfragen. Die Studie mache deutlich, dass es bei «starken Familien» weniger Erziehungs- und Schulprobleme gebe. "Das ist die große Mehrheit der Familien", meinte er. Deshalb plädiere er zur pädagogischen Qualifizierung für die Einrichtung sogenannter Elternschulen in der Kindergarten- und Grundschulzeit.

Nach Ansicht Brantzens revidiert die Studie erneut das öffentliche Bild von Familien in Deutschland. Es zeige sich im Vergleich zur Studie 2006 ein weiterer Anstieg des positiven Bildes von Familie. Ebenso wie von der Leyen stellte er die Repräsentativität der medialen Berichterstattung über Familien in Frage.