Menschenrechtler: Flüchtlinge müssen legal nach Europa reisen können

"Heuchlerische Politik"

Angesichts der Flüchtlingsdramen im Mittelmeer fordern Menschenrechtler mehr Möglichkeiten zur legalen Einreise in die EU. "Humanitäre Visa und geschützte Einreiseverfahren wären ein erster Schritt", sagte der Europaexperte der Organisation Pro Asyl, Karl Kopp. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) verlangte mehr finanzielle Unterstützung für arme Länder, um Flüchtlingstragödien zu verhindern. Zuletzt waren Anfang der Woche mindestens 200 Afrikaner vor der libyschen Küste ertrunken, nachdem ihr Boot gekentert war.

 (DR)

Derzeit hätten Asylsuchende keinerlei Möglichkeiten, auf ungefährliche Weise nach Europa zu gelangen, unterstrich Kopp.
Gleichzeitig steige die Zahl der Toten: «Für jede Fluchtroute, die blockiert wird, tut sich eine neue, gefährlichere Route auf.»

Europa entwickle sich derzeit immer mehr zu einer Festung, kritisierte Kopp. Die Politik vieler EU-Staaten sei heuchlerisch: «Europa sagt den Flüchtlingen Hilfe zu, aber dieselben Flüchtlinge werden abgewiesen und enden zum Beispiel in libyschen Gefängnissen, wo ihnen Misshandlung droht.» Befördert werde damit auch das stetige Wachstum der Schlepperindustrie, sagte er.

Kopp sprach sich für den Aufbau eines europäischen Seenot-Rettungsdienstes aus. Zugleich kritisierte er die derzeitige Arbeit der EU-Grenzschutzagentur Frontex: «Frontex muss die Menschen retten, anstatt sie abzudrängen», sagte er.

IOM-Sprecher Jean-Philippe Chauzy sagte dem epd in Genf: «Die Industrieländer müssen trotz der Wirtschaftskrise die Entwicklungshilfe erhöhen.» Die Krise treffe die Menschen in den Entwicklungsländern besonders stark, deshalb versuchten sie, in Europa Arbeit zu finden. Durch vermehrte Entwicklungshilfe könne die wirtschaftliche Lage in den armen Weltregionen jedoch verbessert werden.

Chauzy sagte, dass verstärkte Patrouillen im Mittelmeer das Problem der gefährlichen Überfahrten nicht lösen würden. Die Menschenschmuggler würden Ausweichrouten wählen. «Das Problem wird nur in eine andere Region geschoben», so Chauzy. Italien und Libyen planen ab Mai gemeinsame Überwachungsfahrten.

Laut dem IOM-Sprecher landeten im Jahr 2008 rund 37.000 Menschen aus Richtung Afrika an der italienischen Küste. In diesem Jahr werde diese Zahl übertroffen, so Chauzy. Man müsse mit weiteren Boots-Tragödien rechnen.