Auf dem Roten-Khmer-Tribunal lastet Druck

Folter, Mord, Korruption

Chum Mey ist einer von nur sieben Menschen, die Tuol Sleng überlebt haben. Als die vietnamesische Armee im Januar 1979 das berüchtigte Foltergefängnis in Kambodscha befreite, hatten die Schergen der Roten Khmer in vier Jahren schätzungsweise 16.000 Insassen umgebracht. Heute begann die Hauptverhandlung gegen Kaing Guek Eav, den Leiter von Tuol Sleng.

Autor/in:
Michale Lenz
 (DR)

Dem ehemaligen Mathematiklehrer und vier weiteren Angeklagten werden Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Wenn Duch den Gerichtssaal des internationalen Roten-Khmer-Tribunals betritt, wird Chum Mey dabei sein. Der 78 Jahre alte Traktormechaniker will seinem Peiniger in die Augen sehen. "Ich will wissen, ob er Reue zeigt", sagt er mit fester Stimme. Seine Leidensgeschichte fasst er in wenigen Sätzen zusammen. "Ich wurde verhaftet, weil ich ein Spion des KGB gewesen sein soll. Sie haben mich gefoltert. Mir wurden Fingernägel ausgerissen und man hat mich mit Elektroschocks gequält. Die Roten Khmer haben meine Frau und meine vier Kinder umgebracht. Das jüngste war gerade mal zwei Monate alt."

Mehr als 2 Millionen Ermordete  
Chum Meys Schicksal zeigt, dass die Schreckensherrschaft der Roten Khmer unter ihrem 1998 verstorbenen Führer Pol Pot auch 30 Jahre später das Land traumatisiert. Insgesamt kamen zwischen 1975 und 1979 bis zu 2,2 Millionen Menschen ums Leben. Entsprechend groß ist der Druck, der auf den aus internationalen und kambodschanischen Juristen zusammengesetzten Tribunals lastet. Hinzu kommen bislang unbewiesene Korruptionsvorwürfe, die die Autorität der Richter schon vor Beginn der Verhandlungen zu untergraben drohten.

An der Spitze der Korruptionskette soll Medienberichten zufolge Sean Visoth, der kambodschanische Verwaltungschef des Tribunals, stehen.
Die Existenz eines Schmiergeldsystems sei durch anonyme Hinweise bestätigt worden. Demnach musste jeder kambodschanische Tribunalsmitarbeiter bis zu 70 Prozent seines monatlichen Gehalts an seine Vorgesetzten abgeben. Diese leiteten die Gelder wiederum an Sean Visoth weiter.

Ein Untersuchungsbericht der Vereinten Nationen wurde bislang nicht veröffentlicht. Zuletzt forderte der Menschenrechts-Ausschuss des deutschen Bundestags Kambodscha zu einer Klärung der Vorwürfe auf.
Derzeit sind Zahlungen der Geberländer zur Unterstützung der kambodschanischen Juristen so lange eingefroren, bis konkrete Anti-Korruptionsmaßnahmen ergriffen worden sind. Kambodscha erklärte unterdessen, spätestens im April seine Juristen nicht mehr bezahlen zu können.

Sorge um Glaubwürdigkeit des Tribunals
Die Anwälte der Angeklagten und Nebenkläger sehen diese Entwicklung mit großer Sorge. "Das ist eine unglückliche Situation, in der Gerüchte und Spekulationen gedeihen. Und das kann Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit des Tribunals haben", sagt der schweizerische Jurist Alain Werner, der eine Gruppe von Rote-Khmer-Opfern in dem Verfahren vertritt.

Unmut herrscht auch über den eng begrenzten Auftrag des Gerichts, das nur die noch lebenden höchsten Führungskader der Roten Khmer zur Verantwortung ziehen darf. So nannte der US-amerikanische Philosoph Noam Chomsky in einem Interview der Tageszeitung "Phnom Penh Post" das Tribunal eine "Farce", weil es die Rolle der USA ignoriere. Die damals politisch Verantwortlichen, darunter Außenminister Henry Kissinger, hätten durch die "illegale Bombardierung Kambodschas" während des Vietnamkriegs den Aufstieg der Roten Khmer überhaupt erst möglich gemacht.

Chum Mey sind diese Debatten eher fremd. Er will einfach nur Gerechtigkeit - für sich und seine ermordete Familie. Sein Urteil über Duch hat das ehemalige Folter-Opfer dabei längst gefällt: "Manchmal hasse ich ihn und möchte ihn schlagen. Aber wir Buddhisten sind friedfertig. Wenn uns ein tollwütiger Hund beißt, beißen wir nicht zurück."