Innerhalb einer Studie kommen zum ersten Mal sozial schwache Kinder zu Wort

Mal wieder mit Mama spielen

Eine Studie, die Kinder als Experten anspricht: Wissenschaftler befragten im Sommer vorigen Jahres Kinder zwischen 6 und 13 Jahren zum Thema Armut. Das Ergebnis: Die Jüngsten jammern nicht, weil ihnen etwas fehlt. Dass mehr möglich wäre, wissen sie aber sehr wohl.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

"Ich würde auch gerne mal mit meinen Eltern spielen", sagt Basti. Der Elfjährige wohnt in einem Stadtteil Hamburgs, der als "sozial schwach" gilt. Er teilt sich die Wohnung mit seinen Eltern und drei weiteren Geschwistern. In seinem Zimmer stehen ein Keyboard, eine Playstation und ein Fernseher. Wenn er drei Wünsche frei hätte, wäre einer davon, dass seine Eltern netter zu ihm sein sollten. Wenn sie ihn mal wieder anschreien, versteckt er sich in seinem Schrank. Das ist sein Geheimnis.

Basti ist eines von 200 Kindern, die bei einer nicht repräsentativen Studie über Kinderarmut in Deutschland zu Wort kommen. "Sozial benachteiligte Kinder wünschen sich am meisten mehr Fürsorge ihrer Eltern", erläutert Sabine Andresen von der Universität Bielefeld am Montag in Berlin das Ergebnis. Wissenschaftler befragten im Sommer vorigen Jahres Kinder zwischen 6 und 13 Jahren während einer Ferienfreizeit des Kinder- und Jugendwerks "Die Arche" und in den Archen in Berlin und Hamburg. Laut Andresen ist die vom Pharmaunternehmen Bayer initiierte Studie die erste, die Kinder als Experten anspricht.

"Die Kinder thematisierten in erster Linie nicht ihre Defizite, sondern den Mangel an Möglichkeiten", so die Erziehungswissenschaftlerin. Trotz widriger Umstände gingen die meisten Kinder davon aus, dass ihr Leben "richtig schön" werde. Dieses Potenzial geht den Wissenschaftlern zufolge verloren, wenn eine umfassende Förderung fehlt. Bereits elf Prozent gaben an, "wenig Hoffnung auf eine persönlich gute Zukunft" zu haben. Als zentrales Bedürfnis artikulierten die Kinder, zu lieben und geliebt zu werden, sowie die Möglichkeit, Freunde zu finden und Freundschaften zu pflegen. Zudem sei für über 90 Prozent eine gute Ausbildung wichtig.

Jedes sechste Kind in Deutschland lebt in Armut
"Sozial benachteiligte Kinder thematisieren besonders den Aspekt, dass man sich um Kinder 'kümmern' müsse", erklärt Andresen. Hier zeige sich ein deutlicher Unterschied zu privilegierten Jungen und Mädchen. Allerdings betonte die Wissenschaftlerin, dass dies nicht zu pauschalen Urteilen über die Eltern führen solle.

Nach Angaben des Deutschen Kinderschutzbundes lebt jedes sechste Kind in Deutschland in Armut. Statistische falle jede vierte Familie unter die Armutsgrenze. Nach Schätzungen des Deutschen Kinderhilfswerks hat sich die materielle Armut von Kindern etwa alle zehn Jahre sogar verdoppelt. "Wir müssen Kinder stärker bei der Festlegung möglicher Kriterien einbinden, was ein gutes Leben ausmacht", fordert Andresen. Bei der Schrottprämie zeige sich ziemlich genau, welche Vorstellungen die Deutschen von einem guten Leben hätten. "Ein Auto ist uns wichtiger als ein Mensch", klagt sie.

"Die wenigen Kinder, die wir haben, fördern wir nicht genug", bemängelte auch Bernd Siggelkow von der "Arche". Die Politik müsse den Bereich außerhalb der Schule viel mehr berücksichtigen und ausbauen. Siggelkow kritisierte, dass Vorteile in erster Linie Kindern aus wohlsituierten Familien zukämen.