NATO-Gipfel soll Afghanistan-Strategie bringen

Obama geht aufs Ganze

Der amerikanische Präsident Barack Obama will auf dem NATO-Gipfel Anfang April beim Thema Afghanistan "aufs Ganze gehen". Das war von Vertretern des US-Auslandsgeheimdienstes CIA am Wochenende in Washington zu erfahren. Obama werde die Verbündeten vor die Wahl stellen: Entweder eine "neue klare und harte Strategie" für den Einsatz am Hindukusch oder "Rückzug".

Autor/in:
Friedrich Kuhn
 (DR)

Spätestens im Sommer müssten rund 100 000 NATO-Soldaten und Truppen anderer Länder in Afghanistan zum Kampf gegen die Taliban bereit stehen.

Obama sieht nach Angaben amerikanischer Geheimdienstler in Pakistan "den Schlüssel zum Erfolg im Krieg in Afghanistan". Die Taliban haben seit jeher ihre geheimen Stützpunkte in den nordwestlichen pakistanischen Grenzgebieten zu Afghanistan. Von Waziristan aus greifen sie ständig die Alliierten auf afghanischem Boden an und ziehen sich danach schnell auf pakistanische Gebiete zurück. Über sie hat die Regierung in Islamabad keine Kontrolle. "Die Taliban können in Waziristan tun und lassen, was sie wollen", berichtete ein CIA-Experte. Sie müssten nur ständig die Angriffe von unbemannten US-Drohnen fürchten. Dabei hat es schon viele Opfer gegeben.

Diese geheimen Attacken der mit Raketen ausgerüsteten Kleinflugzeuge, die 24 Stunden in der Luft bleiben können und die Ziele mit ihren Video- und Infrarotkameras suchen, wurden nach Darstellung von US-Offizieren jetzt derart intensiviert, dass die Taliban begonnen haben, in die südliche Provinz Belutschistan auszuweichen. Sie hätten ihre Schlupfwinkel in die Gegenden um die Provinzhauptstadt Quetta verlegt. Hier wird seit langem ihr Anführer Mullah Omar vermutet.

Obama werde den Verbündeten beim NATO-Gipfel am 3. und 4. April in Baden-Baden, Kehl und Straßburg unter strengster Geheimhaltung verkünden, dass die US-Drohnen jetzt die Taliban auch in Belutschistan angreifen werden, ließ ein CIA-Angehöriger wissen. Pakistan ist ein enger Verbündeter Washingtons. Trotzdem protestiert es immer wieder, weil mit den Kampfdrohnen sein Hoheitsgebiet verletzt wird.

Nach Hinweisen aus CIA-Kreisen ist Obama mit dem pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari insgeheim übereingekommen, dass dieser Protest erhebt, aber die USA gewähren lässt, mit den MQ-1 und MQ-9-Drohnen die Taliban anzugreifen. Neben einem massiven militärischen Vorgehen gegen die Taliban am Hindukusch würde sich Obama mit den Attacken gegen sie in Pakistan die Wende im afghanischen Krieg erhoffen, hieß es beim CIA. Auch werde an den verstärkten Einsatz von Spezial-Bodentruppen in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion gedacht, hieß es in Washington. Etliche solcher Einsätze hat es schon gegeben.

Von CIA-Männern war zu erfahren, dass Obama seine Überlegungen, "gemäßigten Taliban" die Hand zu reichen, "zunächst" aufgegeben habe. Seine Berater hätten darauf hingewiesen, dass der angestrebte Strategiewechsel angesichts der ablehnenden Haltung der Taliban nur durch militärische Sicherheit mit einhergehendem Wiederaufbau in Afghanistan erreicht werden könne. Es müsse vor allem "politische Sicherheit" am Hindukusch hergestellt werden. Auch sollen die afghanischen Sicherheitskräfte auf etwa 400 000 Mann aufgestockt werden, um die Lage in Afghanistan in den Griff zu bekommen und den zivilen Aufbau zu schützen.

Der Sicherheitsexperte der Grünen, Winfried Nachtwei, sieht in einer "Strategiekorrektur" am Hindukusch "wohl die letzte Chance, die Gewaltdynamik in Afghanistan zu stoppen". Nachtwei meinte im ddp-Gespräch, es müsse zu einer "wirklich gemeinsamen Strategie von Aufstandseindämmung und Aufbau in Afghanistan kommen". Es müsse endlich das "Strategiedurcheinander" des Westens am Hindukusch überwunden werden.

Die FDP-Wehrexpertin Elke Hoff äußerte sich mit dem Blick auf den NATO-Gipfel skeptisch. Sie erwarte keine nennenswerte Kurskorrektur der NATO am Hindukusch, sagte sie der ddp. Hoff bezeichnete dagegen eine internationale Konferenz, die die gesamte Region einschließlich der Nachbarstaaten Afghanistans einschließt, als eine unabdingbare Voraussetzung für einen gelungenen Strategiewechsel für Afghanistan.