Gutachten soll schon 2008 Risiken für Kölner Archiv gesehen haben

Katastrophe absehbar?

Bei der Ursachensuche für den Einsturz des Kölner Stadtarchivs sind weitere Vorwürfe gegen die Kölner Verkehrsbetriebe laut geworden. Nach einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" soll es bereits mehrere Monate vor dem Einsturz des Gebäudes Warnungen eines Hochschulinstitutes wegen unsicherer Statikberechnungen bei dem benachbarten U-Bahn-Bauprojekt gegeben haben.

 (DR)

Laut der Zeitung soll ein Gutachten des Aachener Hochschulinstituts für Geotechnik im Bauwesen vor der Gefährdung von Menschenleben gewarnt haben. Wegen unstabilen Baugrunds und hohen Grundwasserdrucks seien die Gutachter Ende September 2008 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bauschlitzwände an den U-Bahn-Haltestellen vier Meter tiefer in der Erdschicht verankert sein müssten, als in der Ausschreibung vorgesehen.

Ein KVB-Sprecher verwies darauf, dass man derzeit weder den Auftraggeber noch die Zielsetzung des Gutachtens kenne. Bislang liege das Gutachten den Verkehrsbetrieben nicht vor, zudem seien die zugrunde gelegten Berechnungsverfahren nicht bekannt.

Auch der Kölner Baudezernent Bernd Streitberger betonte, dass die Untersuchung bislang nicht vorliege. Nach seinen Angaben handele es sich nicht um ein Gutachten, sondern lediglich um eine Studie. Man werde sich nun um Aufklärung bemühen, inwieweit sie Auskunft über die mögliche Unglücksursache gibt.

Der Präsident der Ingenieurkammer-Bau in Nordrhein-Westfalen, Peter Dübbert, sagte der «Süddeutschen Zeitung» zudem, die Aufträge für die Prüfingenieure des Milliardenprojekts seien nur nach dem Kriterium niedrigster Preis vergeben worden. Er könne nicht begreifen, dass «solch höchst sensible und sicherheitsrelevante» Arbeiten nach Billigstgeboten vergeben würden. Der Kölner U-Bahn-Bau sei «wie eine Doppelgarage in einem Hinterhof» bewertet worden.

Baudezernent Streitberger verwies darauf, dass das Bauvorhaben im Rahmen einer europaweiten Ausschreibung vergeben wurde. Die drei beauftragten Baufirmen unter Führung von Bilfinger Berger seien erfahren mit solchen Vorhaben.

Die KVB und die Stadt stehen seit dem Wochenende zudem in der Kritik, weil nahe der Unglücksstelle zu viele Brunnen gebohrt wurden und zu viel Grundwasser entnommen worden war. Das könnte nach Ansicht von Experten zu einer Erosion des Bodens geführt haben. Dem Bauherrn KVB, aber auch der Stadt werden deshalb Versäumnisse bei der Kontrolle der U-Bahn-Baustelle vorgeworfen.

Am Mittwoch legte das Umweltdezernat der Stadt Köln Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) einen Bericht zu der wasserrechtlichen Erlaubnis beim Bau der U-Bahn vor. Demnach hat die Untere Wasserbehörde ihre Überwachungspflicht erfüllt. Zu einer darüber hinausgehenden Überwachung habe kein Anlass bestanden. Die Kontrollen hätten keine Hinweise darauf ergeben, dass die wasserrechtliche Erlaubnis überschritten wurde. Der Unteren Wasserbehörde habe vor dem Unglück vom 3. März keine Information über den erweiterten Brunnenbau beziehungsweise die Mehrförderung von Grundwasser vorgelegen.

Unterdessen ging auch mehr als zwei Wochen nach dem folgenschweren Unglück mit zwei Toten die Bergung der Dokumente an der Einsturzstelle in der Kölner Südstadt weiter. Wie lange die Bergungsarbeiten noch dauern werden, ist bislang unklar.

Schramma betonte, dass es neben der Betreuung der betroffenen Anwohner und der Überprüfung der benachbarten Schulgebäude nun um die Einrichtung eines temporären Digitalisierungs- und Restaurierungszentrums in der Nähe des Unglücksortes gehe. Darin sollten die Archivalien gesichert werden. Die Einrichtung werde voraussichtlich für fünf Jahre betrieben. Außerdem müsse die Planung für ein neues Historisches Archiv «zügig fortgeführt werden», sagte Schramma.