Günter Wallraff im domradio zum möglichen Verlust seiner Dokumente im Stadtarchiv

"Ein Untersuchungsausschuss gehört her, Köln ist so verfilzt"

Günter Wallraff ist einer der bekanntesten Journalisten in Deutschland. Seit Jahrzehnten deckt er mit seinen Reportagen Missstände in der Gesellschaft auf. Auch Teile seines Privatarchivs liegen unter den Trümmern des vor zwei Wochen eingestürzten Kölner Historischen Stadtarchivs. Im domradio-Interview spricht er über den möglichen Verlust und fordert einen unabhängigen Untersuchungsausschuss.

 (DR)

domradio: Vielleicht sind alle Dokumente für immer verloren - wie gehen Sie damit um?
Wallraff: So lange Menschen vermisst wurden, hatte ich das verdrängt. Aber jetzt weiß ich: Da geht es um einen großen Verlust, einen Teil meiner Anfänge wie meinen Briefwechsel mit Heinrich Böll. Ich hatte das dem Stadtarchiv überlassen, damit die es auch öffentlich zugänglich machen. Und unter uns: es auch ordnen. Das war ziemliches Chaos bei mir, ich hatte riesige Kisten, hatte Keller angemietet, auch weil ich noch immer aktuell arbeite und mich dort dem Ganzen widmen konnte. Ich hoffte nun, es würde im Stadtarchiv sorgfältig aufgearbeitet und dann auch öffentlich zugänglich gemacht. Der Traum ist nun erstmal vorbei. Aber wer weiß. Ich höre, dass viele Experte - Archivare, Restauratoren - zugange sind und die versuchen, die ganz alten Dokumente zu konservieren. Man muss das Beste hoffen.

domradio: Machen Sie der Stadt Köln und der KVB Vorwürfe? Sind Sie vielleicht sogar ein bisschen sauer?
Wallraff: Es ist erstmal eine Katastrophe. Und mit Schuldzuweisungen ist man immer sehr schell. In Köln ist man Einiges gewohnt, Korruption - nicht Klüngel! - betreffend. Man weiß, wie das in Köln laufen kann. Entsprechend muss alles untersucht werden. Eigentlich sollte es hier einen Untersuchungsausschuss geben. Köln ist so verfilzt in seinen verschiedenen Gremien. Es gehört ein unabhängiger Untersuchungsausschuss her, der grundlegend prüft: Wer hat was versäumt? Musste die U-Bahn dort überhaupt gebaut werden? Bisher wissen wir noch nicht, wer hat evtl. sich schuldig gemacht. Da will ich nicht vorverurteilen, gerade in Zeiten, in denen Einzelne schnell an den Pranger gestellt werden.

domradio: In der Wochenzeitschrift "Die Zeit" wird Ihre Reportage "Unter Null" abgedruckt, in der Sie Ihre Undercover-Erfahrungen als Obdachloser im vergangenen Winter beschreiben. Relativieren solche Erfahrungen den möglichen Verlust der Dokumente Ihres Lebens?
Wallraff: Das würde ich schon sagen. Ich schaue nach vorne.
Hören Sie hier das Gespräch in voller Länge nach.