Zweite Leiche unter Trümmerhaufen in Köln gefunden - Fortschritte bei der Bergung von Archivmaterial

Schreckliche Gewissheit

Neun Tage nach dem Einsturz des Stadtarchivs in Köln ist am Donnerstag eine zweite Leiche im Trümmerhaufen gefunden worden. Ob es sich bei dem Toten um den vermissten 24-jährigen Design-Studenten handelt, war nach Angaben eines Feuerwehrsprechers zunächst "unklar, aber wahrscheinlich". Die genaue Identität des Toten müsse nach der Bergung, die noch am Donnerstagabend erfolgen sollte, gerichtsmedizinisch geklärt werden. Die Leiche habe neun Meter unter Erdniveau gelegen.

 (DR)

Die Rettungskräfte kamen auch bei der Bergung von Archivmaterial voran. Warum es zu dem Unglück kam, ist weiter unklar.

Das Stadtarchiv war am 3. März eingestürzt und hatte zwei benachbarte Häuser mitgerissen. Ein 17-jähriger Bäcker-Lehrling, der sich in einer Dachgeschosswohnung im Nachbargebäude aufgehalten hatte, war am 8. März tot aus dem Trümmerhaufen geborgen worden. Der 24-jährige Student, ein Marokkaner, soll sich ebenfalls in einer Dachgeschosswohnung des Nachbarhauses aufgehalten haben. Er gilt seit den Gebäudeeinstürzen als vermisst und wurde unter dem Trümmerhaufen vermutet.

Hunderte von Helfern waren in den vergangenen Tagen tags und nachts im Einsatz, um die Unglücksstelle nach dem Vermissten abzusuchen. Dabei kamen auch immer wieder Spürhunde zum Einsatz. Die Rettungskräfte mussten immer wieder ihre Suchaktion unterbrechen, da die Unglücksstelle unter anderem wegen nachrutschender Erdmassen als extrem instabil gilt. Den Angaben zufolge wurden bis Donnerstagabend bislang 3055 Tonnen Schutt von der Unglücksstelle abtransportiert. Diese Menge entspricht 233 Lkw-Ladungen.

Derweil kam die Feuerwehr bei der Errichtung eines Daches voran, das die in dem Schutt liegenden Archivdokumente vor Regen schützen soll. Laut Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) konnten bisher bis zu 25 Prozent des Archivmaterials gerettet werden. Die Dokumente im Schuttberg seien zum Teil noch relativ gut erhalten. Trotz großer Verluste hoffe er daher, dass wichtige Teile des Kulturguts gerettet werden können.

Fachleute des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) nahmen unterdessen in Münster erstes Archivmaterial aus dem Stadtarchiv in Empfang. In einer Werkstatt soll nun nassen Archivalien die Feuchtigkeit entzogen werden. «Mit der sogenannten Gefriertrocknung können teilweise durchnässte Archivalien vor weiteren Schäden bewahrt werden», erläuterte LWL-Kulturdezernentin Barbara Rüschoff-Thale. Dazu müssten die nassen Akten zunächst eingefroren werden, zum Beispiel in Kühlhäusern.

Laut Schramma gibt es schon Pläne für ein neues Stadtarchiv-Gebäude in Köln. Derzeit würden Standorte geprüft. Der Bau eines neuen Stadtarchivs sei ohnehin wegen Raummangels und veralteter Technologien vorgesehen gewesen.

Im Beweissicherungsverfahren um den Einsturz des Kölner Stadtarchivs hat das Kölner Landgericht inzwischen einen Gutachter benannt. Es handelt sich um den Professor für Geotechnik Hans-Georg Kempfert von der Universität Kassel. «Herr Kempfert wird sofort mit seiner Tätigkeit beginnen», sagte ein Sprecher des Kölner Landgerichts.

Das Beweissicherungsverfahren haben die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) beantragt. Antragsgegner im Verfahren ist Arge Nord-Süd-Stadtbahn, in der die in diesem Bauabschnitt tätigen Firmen vereinigt sind. Im Beweissicherungsverfahren müssen die Schäden sofort begutachtet werden, damit weitere Spuren, die zur Aufklärung des Unglücks dienen könnten, nicht entfernt, verwischt oder verfüllt werden.


Mehr zum Thema