Nach dem Gebäudeeinsturz im Severinsviertel ist die Zukunft der Kölner Stadtbahn offen

Prestige-Projekt in Trümmern

So schnell ist Kölns Oberbürgermeister Fritz Schramma in seiner rund 20-jährigen politischen Karriere noch nie zurückgerudert. Angesichts der Trümmer des eingestürzten Stadtarchivs hatte das Stadtoberhaupt am Morgen nach der Katastrophe einen Baustopp für die umstrittene Stadtbahn-Trasse gefordert. Keine drei Stunden später rückte er von dieser Forderung wieder ab. Bezeichnend für das umstrittene Großprojekt.

Autor/in:
Markus Peters
 (DR)

Die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) hätten ihn überzeugt, dass ein sofortiger Baustopp auch die Sicherheit der noch bestehenden Baustellen beeinträchtigen würde. Das Manövrieren des Oberbürgermeisters ist bezeichnend für das umstrittene Großprojekt, das vor rund 20 Jahren mit großer Mehrheit vom Kölner Stadtrat beschlossen worden war. Dabei zeichnete sich schon früh ab, dass der Gebäudeeinsturz in der Südstadt durch einen Erdrutsch in einer U-Bahn-Baustelle der Stadtbahn verursacht wurde. Ob dieser durch Fahrlässigkeit, Planungsfehler oder unwägbare geologische Verhältnisse verursacht wurde, müssen nun die Gutachter der Staatsanwaltschaft klären. Das Unglück hatte am vergangenen Dienstag mindestens ein Menschenleben gefordert.

Seit sieben Jahren arbeiten sich die Bohrer durch den Untergrund der Kölner Südstadt, begleitet von zahlreichen Pannen. Die spektakulärste davon war vor fünf Jahren der Beinah-Einsturz des Kirchturms der Pfarrkirche Sankt Johann Baptist. Diese befindet sich nur wenige Schritte von der Stelle entfernt, an der es dann in der vergangenen Woche zur Katastrophe kam.

Die Großbaustelle erwies sich als schwere Belastung für das urkölsche Severinsviertel, viele Einzelhändler und Gastronomen beklagten Umsatzeinbrüche durch die Bauarbeiten, etliche von ihnen mussten aufgeben. Dazu kommen zahllose Risse und Verschiebungen an Gebäuden entlang der Bautrasse, denen, so scheint es jetzt zumindest, nicht immer konsequent nachgegangen wurde.

Und doch ist ein Baustopp derzeit eher unwahrscheinlich, denn mit dem Prestigebau haben die KVB längst Fakten geschaffen. Bis auf wenige Stellen im Stadtgebiet sind die risikoträchtigen Tiefbau-Arbeiten für die Untergrundbahn abgeschlossen. Dort wird inzwischen mit dem Ausbau der Haltestelle und der Installation der dafür erforderlichen Technik begonnen. Immer noch ist geplant, dass der erste Zug der Stadtbahn wie vorgesehen Mitte 2011 auf der Strecke unterwegs ist.

Schon jetzt wurden für das Projekt nahezu eine Milliarde Euro ausgegeben, deutlich mehr als die zunächst kalkulierten etwa 630 Millionen Euro. Unter dem Eindruck der Katastrophe will die KVB jetzt noch einmal Gutachter an das Bauvorhaben setzen. Sollten diese einen Weiterbau für unvertretbar halten, würde das Projekt gestoppt, versprach KVB-Vorstand Walter Reinarz. Allerdings scheint niemand in der Unternehmenszentrale derzeit mit einem solchen Ausgang zu rechnen.

Vorstandssprecher Jürgen Fenske hatte sich am Wochenende für die fatalen Auswirkungen des Baus bei der Bevölkerung entschuldigt. Die Staatsanwaltschaft könnte noch für eine Wende beim Stadtbahn-Bau sorgen. Sollte die Behörde strafrechtlich relevante Mängel bei Planung und Durchführung des Baus feststellen, dürfte das zu Konsequenzen führen.

Doch auch für diesen Fall haben die KVB-Verantwortlichen schon vorgesorgt. Fehler bei Planung und Durchführung des Baus würden in der Verantwortung der Firmen liegen, die diese Arbeiten durchführten, hieß es.

Am Mittwoch  will sich der Kölner Stadtrat in einer Sondersitzung über die Situation nach dem Gebäudeeinsturz informieren lassen. Schramma und seine Dezernenten werden sich auf unangenehme Fragen einrichten müssen.