LVR-Restaurator Arie Nabrings über die sich weiter verschlechternde Lage in Köln

Gestern war noch Optimismus

Der Einsturz des historischen Stadtarchivs hat ein Beben weit über die Grenzen Kölns hinaus ausgelöst: Historiker aus ganz Deutschland bangen um die wertvollen Kulturschätze, Restauratoren versuchen vor Ort den Schaden in Grenzen zu halten. Dr. Arie Nabrings vom Landschaftsverband Rheinland erklärt im domradio-Interview die Herkules-Aufgabe. - Außerdem im domradio-Videointerview: Dr. Ulrich Helbach. Der Leiter des Erzbischöflichen Archivs Köln hat am Freitag die ersten Dokumente aus dem Stadtarchiv entgegen genommen.

 (DR)

Am Donnerstag hatte der Landschaftsverband Rheinland (LVR) seine Unterstützung für die Rettung des Archivgutes des Historischen Archivs in Köln nochmals bestätigt und konkretisiert. Danach wird der LVR seine räumlichen, sachlichen und personellen Ressourcen in dem notwendigem Umfang zur Verfügung stellen.

"Wer im Rheinland von rheinischem Kulturgut spricht, kommt am LVR nicht vorbei. Das kulturelle Erbe zu dokumentieren, zu bewahren und zu präsentieren ist Aufgabe des LVR. Wir setzen dies in unseren verschieden Einrichtungen um: angefangen von unseren LVR-Museen über die Archäologie, die Denkmalpflege, bis eben hin zum Archivwesen. Durch unser LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum (LVR-AFZ)  in Brauweiler ist der LVR gerade in dieser Situation fachlich und strukturell bestens aufgestellt, wirkungsvolle Unterstützung zu leisten", so Milena Karabaic, LVR-Dezernentin Kultur und Umwelt.

Team bestehend aus fünf Restauratoren
Konkret unterstützt der LVR mit einem Team bestehend aus fünf Restauratoren des LVR-AFZ. Das Team setzt sein Know-How unbürokratisch ein, hilft bei der Bergung und Sicherung des Archivgutes. Außerdem stellt der LVR Lagerflächen für geborgenes Archivgut, Transportkisten, Wickelfolien, Staubmasken, Rollpaletten und andere notwendige Materialien zur Verfügung.
  
In einem nächsten Schritt wird das Technische Zentrum Brauweiler die Archivalien reinigen und in der Restaurierungswerkstatt aufarbeiten. Hier geht es insbesondere um die restauratorische Behandlung von Feuchtigkeitsschäden durch Trocknung oder Gefriertrocknung sowie um die Reparatur mechanischer Schäden wie Risse und Brüche.

"Unser Amt hat bereits in der Vergangenheit den Notfall in der Theorie durchgespielt und entsprechende Szenarien entwickelt", so Dr. Arie Nabrings, Leiter des LVR-AFZ in Brauweiler. Die Restauratoren bereiten sich indes auf das Eintreffen der ersten Archivalien  in Brauweiler vor.

Nach dem Einsturz des Historischen Archivs der Stadt Köln an der Severinstraße lagert ein Teil der geborgenen Bestände nun im Historischen Archiv des Erzbistums Köln.

Kulturstaatsminister sichert Kölner Stadtarchiv Hilfe zu
Inzwischen hat auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) Hilfen zugesichert. "Sollte es mittels restaurativer Maßnahmen möglich sein, zumindest Teile der Bestände zu retten, werden selbstverständlich das Fachwissen und das Potenzial der von meinem Haus finanzierten Einrichtungen eingesetzt, um den Schaden wenigstens in Grenzen zu halten", erklärte Neumann am Donnerstag in Berlin. Das Bundesarchiv, die Berliner Staatsbibliothek und die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar hätten bereits erklärt, das Archiv nach erfolgter Bestandsaufnahme bei der Restaurierung verschütteter Materialien zu unterstützen.

Zuvor hatte der Deutsche Kulturrat die Bundesregierung zur Unterstützung beim Wiederaufbau aufgefordert. Die Urkunden und Dokumente des Archivs hätten nationale und zum Teil europäische Bedeutung. Der absehbare Verlust einmaliger Dokumente sei für Wissenschaft und Forschung dramatisch. Nach Einschätzung des Verbandes Deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA) wird es noch mehrere Wochen dauern, bis Klarheit über die Anzahl der verlorenen Dokumente herrscht. Bislang konnten den Angaben zufolge aus dem hinteren, unzerstörten Teil des Stadtarchivs und den beiden Kellern fast alle mittelalterlichen Urkunden gerettet werden. Allerdings liege der gesamte Magazinturm "praktisch in Trümmern zum großen Teil auf der Straße".