Bischöfe: Finanzkrise als Chance für Reform nutzen

Jenseits der Gier-Debatte

Staatszuschüsse für Opel? Obergrenzen für Manager-Gehälter? Erzbischof Reinhard Marx will sich nicht festlegen lassen. "Das geht über die Kompetenz eines Bischofs hinaus", räumte der Sozialexperte der Deutschen Bischofskonferenz am Mittwoch in Hamburg nach einem Studientag der katholischen Oberhirten zur Wirtschaftskrise ein. Dennoch sind sich Marx und der Konferenz-Vorsitzende, Erzbischof Robert Zollitsch, sicher, dass die Kirche etwas zur Bewältigung der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise beitragen kann.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Aus Sicht der Geistlichen handelt es sich schließlich um eine «Systemkrise», in der nicht nur wirtschaftliche Mechanismen, sondern auch soziale und kulturelle Fragen sowie das Menschenbild auf dem Prüfstand stehen. Als «Leitplanke» empfahlen sie die Prinzipien der Katholischen Soziallehre - eine in den vergangenen Jahren manchmal belächelte, jetzt aber wieder zur Auseinandersetzung reizende Sicht auf das Wirtschaftssystem, wie die beiden Erzbischöfe mit Genugtuung vermerkten.

Die Krise als Chance zu sehen, das haben sich Marx und Zollitsch nach einer intensiven Diskussion im Kreis der 68 katholischen Oberhirten auf die Fahne geschrieben. Nach mehr als einem Jahrzehnt der Deregulierung der Wirtschaft, des neoliberalen Denkens und einer ungeregelten Globalisierung sieht die Kirche jetzt die Gelegenheit, weltweit eine soziale Marktwirtschaft neu ins Gespräch zu bringen.

Nicht, dass am deutschen Wesen die Welt genesen soll, wie Marx schnell versichert. Doch sei die Zeit reif dafür, das Verhältnis von Freiheit und Ordnung neu auszutarieren und dabei auch die Interessen der Schwellen- und Entwicklungsländer zu beachten.

Die Kirche sieht sich gefragt - als «global player» und als «global prayer», wie Marx es formulierte. Zollitsch verwies darauf, dass sich die international agierenden Unternehmen längst der nationalen Ordnungspolitik entzögen. «Deshalb braucht auch das globalisierte Wirtschaftssystem einen ordnenden Rahmen.» Für Marx sind jetzt der Internationale Währungsfonds, die Weltbank und die G-20-Staaten der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer gefragt. Sie sollen einen Ordnungsrahmen schaffen, der sich am «Weltgemeinwohl» orientiert, das bereits Papst Johannes Paul II. gefordert habe.

Die beiden Erzbischöfe bekannten sich zwar zu einer freien und auf Gewinn orientierten Wirtschaft. Sie verurteilten aber Gier und Selbstbedienungsmentalität, worin sie die Ursachen der Krise sehen.

Platte Managerschelte sei jedoch unangemessen. Schließlich strebe jeder Bürger, der im Supermarkt nach der billigsten Tüte Milch sucht, nach Profit, sagte der Freiburger Erzbischof. Für seinen Münchener Amtsbruder Marx sind es vor allem die falschen Anreizsysteme, die zur Krise führten. Banker und Manager hätten in erster Linie kurzfristige Erfolge im Blick gehabt - ohne Rücksicht auf das Wohl ihrer Unternehmen. Wichtig sei deshalb, dass die Gehälter künftig an den langfristigen Erfolg und das Wohl des gesamten Unternehmens gebunden seien.

Für staatliche Eingriffe bei Banken und Unternehmen fordern die Bischöfe klare Vorbedingungen. Die Politik solle von Konzepte entwickeln, wann sie ihre Beteiligung an Banken wieder zurückgebe, mahnte Zollitsch. Bei der Unterstützung von Unternehmen müssten Wettbewerbsverzerrungen verhindert werden; zudem müsse klar sein, dass die Firma nur wegen der Finanzkrise in Schwierigkeiten geraten sei. Die staatlichen Konjunkturpakete sehen die Bischöfe wegen der Inflationsgefahr und der Schuldenberge für künftige Generationen mit
Sorge: Das Geld aus den Konjunkturpaketen müsse zumindest so eingesetzt werden, dass künftige Generationen davon profitieren - also in der Bildung, der Infrastruktur und bei den erneuerbaren Energien.


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