Politik und Verbände streiten um Kinder-Hartz-IV

Zurück zu Beihilfen oder Erhöhung des Regelsatzes?

In der SPD gibt es Überlegungen, die Hartz-IV-Leistungen für Kinder zu korrigieren. "Wir müssen bei den Kindern zurück zum alten System der einmaligen Beihilfen für Kleidung, Schulsachen und ähnliches", sagte die nordrhein-westfälische SPD-Landeschefin Hannelore Kraft. Grüne und Linke lehnten den Vorschlag ab und sprachen sich für eine angemessene Erhöhung des Regelsatzes aus. Die Berliner Diakonie-Chefin Susanne Kahl-Passoth lehnt indes ein Gutschein-System für Kinder-Sozialleistungen ab.

 (DR)

«Ich bin selber Mutter und habe erlebt, dass ein Kind in wenigen Wochen aus zwei Schuhgrößen rauswächst. Da kommt man nicht klar, wenn der Hartz-IV-Regelsatz für Schuhe von Kindern bis 13 Jahre bei 4,48 Euro im Monat liegt», sagte Kraft. Grundsätzlich habe man mit den Regelsätzen erreichen wollen, «dass die Menschen nicht mehr Bittsteller auf dem Sozialamt sein sollten und für vieles einen Antrag stellen mussten». «Doch wir müssen auch so ehrlich sein und sagen, das funktioniert so nicht», sagte die SPD-Politikerin.

Der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Markus Kurth, sagte dagegen, eine Rückkehr zum System der Beihilfen hätte einen «gigantischen zusätzlichen Bürokratieaufwand» zur Folge.
Hilfeempfänger würden wieder zu Bittstellern «für jede Unterhose» gemacht. Stattdessen müsse der Regelsatz so erhöht werden, dass alle notwendigen Ausgaben auch daraus bestritten werden können.

Auch die Linksfraktion lehnte den Vorschlag Krafts ab. Bei der Debatte schwinge immer mit, dass Familien, die das Arbeitslosengeld II bezögen, nicht mit Geld umgehen könnten und verschiedene Leistungen daher immer separat beantragen müssten, sagte die kinderpolitische Sprecherin Diana Golze. Auch sie plädierte dafür, den Regelsatz für Kinder und Jugendliche «endlich an deren tatsächlichen Bedarf» anzupassen.

Diakonie: Hilfe statt Gutscheinen
Die Berliner Diakonie-Chefin Susanne Kahl-Passoth lehnte indes ein Gutschein-System für Kinder-Sozialleistungen ab. Gutscheine seien bürokratisch, die Leute kämen sich wie Bettler vor, sagte Kahl-Passoth der «Frankfurter Rundscha». Die Direktorin der Diakonie Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz schlug vor, statt Gutscheinen den Betroffenen Hilfsangebote und Sachleistungen direkt anzubieten.

Kahl-Passoth reagierte damit auf Äußerungen des Junge-Union-Vorsitzenden Philipp Mißfelder. Dieser hatte in der vergangenen Woche mit Blick auf die Anhebung des Hartz-IV-Kinderregelsatzes für 6- bis 13-Jährige im Rahmen des Konjunkturpakets II um 35 Euro gesagt, eine Erhöhung sei ein «Anschub für die Tabak- und Spirituosenindustrie». Mißfelder sprach sich dafür aus, statt weiterer Erhöhungen Gutscheine auszugeben.

Der Deutsche Caritasverband verteidigte die Anhebung des Kinderregelsatzes als wichtigen Schritt zur materiellen Besserstellung armer Kinder. Darüber hinaus sollte es «befähigende Sachleistungen» wie kostenlose Nachhilfe und Bustickets geben. Generalsekretär Georg Cremer bedauerte, dass «erneut eine inkompetente Äußerung eines Politikers, der nach persönlicher Profilierung sucht», zur Debatte um wirksame Armutspolitik führe und nicht die vielen seriösen Beiträge aus Armutsforschung und Praxis.