Streit um Stiftungsrat für Vertriebenenzentrum dauert an - Merkel trifft Tusk

Versöhnen statt Spalten

Der deutsch-polnische Streit über die Aufarbeitung der europäischen Vertriebenenschicksale wird weiter von der Personalie Erika Steinbach (CDU) überlagert. Der polnische Botschafter in Deutschland, Marek Prawda, erklärte zwar, es gehe um die Sache und nicht um Steinbach. Er machte am Donnerstag aber auch deutlich, dass die Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen (BdV) für eine Tradition stehe, die sich um die Versöhnung nicht sehr bemüht habe. Der BdV wies dies zurück und sprach von einer polnischen Medienkampagne.

 (DR)

Prawda betonte, es gehe den Polen um das Konzept der «Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung». Steinbach soll dem Stiftungsrat für das geplante Zentrum gegen Vertreibungen angehören. Prawda sagte, es gebe eine Kontroverse über eine «gewisse Tradition und über die Glaubwürdigkeit der Urheber dieses Projektes». Er fügte hinzu: «Wir sehen nicht so richtig, dass der Grundbegriff Vertreibung im Zentrum der geschichtlichen Betrachtung sein soll.»

Zum Vergleich des polnischen Sonderbeauftragten Wladyslaw Bartoszewski, der Steinbach und den Holocaust-Leugner Richard Williamson von der umstrittenen katholischen Pius-Bruderschaft quasi gleichgesetzt hatte, sagte Prawda, Bartoszewski sei nicht richtig verstanden worden. «Er hat keine Ansichten dieser zwei Personen verglichen. Er hat höchstens ein abstraktes Beispiel gebracht, um zu sagen, dass für bestimmte Rollen bestimmte Menschen geeignet und bestimmte Menschen nicht geeignet sind».

Am Freitag trifft sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, um auch über das Zentrum gegen Vertreibungen und den Stiftungsrat zu sprechen. Merkel will sich in der Frage nicht unter Zeitdruck setzen lassen. Sie sagte in Berlin, ihr sei an einer Lösung im «Geist der Versöhnung» gelegen. «Wenn diese Lösung einige Tage Zeit braucht, nehme ich mir die Zeit und halte das auch für gerechtfertigt.» Merkel fügte hinzu: «Jetzt besteht die politische Kunst darin, diese letzte Etappe so zu gestalten, dass dieser Geist und das Anliegen zusammenkommen können. Wenn das noch zwei, fünf oder zehn Tage länger dauert, ist das Teil des Gelingens dieses Projektes.» Zu Steinbach äußerte sie sich nicht.

SPD-Fraktionschef Peter Struck mahnte: «Ich erwarte von Frau Merkel, dass sie das Problem nicht durch Vertagen löst.» Die deutsch-polnische Freundschaft lasse nicht zu, dass Steinbach Mitglied in einem beratenden Gremium der neuen Stiftung werde.

Auch die SPD-Präsidentschaftskandidatin Gesine Schwan legte Steinbach nahe, ihre Bewerbung für den Stiftungsbeirat zurückzuziehen. Schwan argumentierte: «Die polnische Regierung hat klar zu verstehen gegeben, es könne einen Neuanfang nur geben, wenn auf beiden Seiten die Personen in den Hintergrund treten, die von der anderen Seite als provokant empfunden werden.» Die Polen hätten dies umgesetzt, die Deutschen nicht.

Die BdV-Vizepräsidenten Christian Knauer (CSU) und Albrecht Schläger (SPD) erklärten, die in Polen verursachte «Massenpsychose gegen Erika Steinbach» sei unerträglich und durch nichts gerechtfertigt. Der BdV und Steinbach hätten zu den meisten Staaten, aus denen Deutsche vertrieben wurden, nachweislich ein gutes Verhältnis. Zudem habe die Präsidentin seit ihrer Amtsübernahme 1998 «radikales Gedankengut innerhalb des Verbandes ausgemerzt» und die Beziehungen zu den Staaten, aus denen Deutsche vertrieben wurden, verbessert.