Kardinal Meisner spricht vor christlichem Führungskräfte-Kongress

Echte Autoritäten gefragt

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner hat fehlendes Verantwortungsbewusstsein bei Managern und Führungskräften beklagt. Die Finanzkrise sei offenkundig auch durch menschliches Versagen herbeigeführt worden, sagte er am Freitag in Düsseldorf. Jetzt seien echte Autoritäten gefragt, deren Ansehen sich auf Fachkompetenz gründe. "Der Schein darf nicht über das Sein triumphieren", mahnte der Erzbischof. Das gelte vor allem für christliche Führungskräfte. Im domradio-Interview mit Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen präzisiert der Kardinal seine Kritik.

 (DR)

domradio:  Herr Kardinal Meisner, was haben Sie den christlichen Führungskräften "ins Stammbuch" geschrieben?
Kardinal
Meisner: Ich habe mich erstmal bedankt für ihren Dienst. Eine Spitzenkraft in einem ökonomischen Unternehmen zu sein, ist ja nicht nur Spaß. Ich habe ihnen auch gesagt, dass sie eine hohe Verantwortung damit haben. Und dass dazu unbedingt Sachkompetenz gehört und natürlich von unseren christlichen Überzeugungen her, dass wir immer die Grundwerte im Auge behalten, das heißt, unsere Verantwortung nicht nur vor den Menschen, sondern vor Gott.

domradio:  Ein besonderes Element bei Führungskräften ist auch das Dienen.
Meisner: Eigentlich ist das selbstverständlich für uns Christen. Ich kann Verantwortung nur wahrnehmen, wenn ich die Arbeitsstelle und die Mitarbeiter nicht als Kulisse für meinen eigenen Auftritt sehe. Sondern gleichsam als eine Herausforderung, dass ich meine Führung wahrnehme, indem ich anderen diene. Das heißt, dass es mir um den Nutzen der anderen geht, nicht so sehr um meinen eigenen Nutzen. Und darum ist das unvereinbar mit dem christlichen Menschenbild, dass ich Karriere mache und die anderen dort unten dahin vegetieren lasse. Ich muss die anderen mitnehmen, ich muss mich wie Christus zu ihnen herabneigen und muss ihnen wirklich ein echter Diener sein.

domradio: Der Kongress fällt in die schwierige Zeit der Welt- und Finanzkrise. Gibt die Kirche mit ihrer christlichen Soziallehre eine Alternative?
Meisner: Wir müssen ganz nüchtern sagen: Diese augenblickliche, weltweite ökonomische Situation ist nicht die Folge eines Naturereignisses, sondern das ist typisch menschliches Versagen. Und ich möchte es zurückführen auf die großen Gefährdungen des Menschen auf allen Gebieten, nicht nur auf den ökonomischen. Bei dieser heutigen Weltwirtschaftskrise hat sicher die Habsucht Pate gestanden. Und dann kommt noch die Ehrsucht dazu: Hast Du was, dann bist Du was. Das ist in unserer Gesellschaft heute ein ungeschriebenes Gesetz. Die christliche Soziallehre sagt, es kommt nicht so sehr auf das Haben an, sondern auf das Sein. Diese Soziallehre ist nach wie vor eine echte Alternative zum Kapitalismus und zum Kommunismus und sie hat auch Pate gestanden für eine gesunde soziale Marktwirtschaft.

domradio:  Wir befinden uns in der Buß- und Fastenzeit, das alttestamentarische Buch Tobit empfiehlt uns: "Besser weniger und gerecht, als viel und ungerecht." Ist das eine Maxime für künftige Wirtschaftsordnung?
Meisner: Sehr richtig, wir müssen nur vom Kopf ins Herz und vom Herz in die Hände, damit das nicht nur Theorie bleibt, sondern damit das wirklich auch Praxis wird.