Katholischer Familienbund zum Familienreport der Bundesregierung

"Wir brauchen mehr Zeit für Familie"

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen hat am Montag in Berlin den Familienreport der Bundesregierung vorgestellt. Zu großem Optimismus gäbe es noch keinen Anlass, so die Ministerin, jedoch berechtigten Grund zur Zuversicht. Auch der Familienbund der Katholiken bewertet die gesellschaftliche Entwicklung grundsätzlich positiv. Im domradio-Interview fordert die Verbandspräsidentin Elisabeth Bußmann allerdings, dass sich die Rahmenbedingungen weiter verbessern müssen - und richtet ihren Appell dabei vor allem an die Wirtschaft.

 (DR)

domradio: 2008 sind 690.000 Geburten verzeichnet, rund 17.000 Babys sind mehr auf die Welt gekommen als noch zwei Jahre davor. Ist die Zunahme der Geburten tatsächlich auf die Familienpolitik - etwa mit der neuen Elternzeit -  zurückzuführen?
Bußmann: Zuerst würde ich mal feststellen: das ist doch eine gute Nachricht. Und die haben wir ja auch gerne den Medien entnommen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, dass Familienpolitik immer von einem Bündel von Maßnahmen lebt und von daher ist das Instrument Elterngeld eines, das möglicherweise junge Eltern nochmal zu dem Kinderwunsch gebracht hat. Die Zahl ist gestiegen, vor allem bei jungen Männern.

domradio: Sehen Sie darin denn wirklich eine Trendwende, wie es in den Medien aufgezeigt wird?
Bußmann: Dass die Familienministerin dies so darstellt, ist einerseits zu verstehen, andererseits würde ich sachlich feststellen wollen: der Rückgang der Geburtenrate ist gestoppt. Ein Grund ist auch, dass das Klima unserer Gesellschaft sich verbessert hat. Eine erfreuliche Nachricht, aber als Trendwende würde ich das nicht bezeichnen. In einigen Jahren ist dies vielleicht festzustellen, es wäre gut wenn es so käme.

domradio: Vor allem Frauen zwischen 30 und 40 haben sich offenbar öfter entschlossen ein Kind zu bekommen. Gerade diese überlegen ja auch, wie sie Familie und Beruf miteinander vereinbaren können. Ist denn die Situation wirklich besser geworden?
Bußmann: Hierbei handelt es sich ja um das Grundproblem unserer Gesellschaft. Familien- und  Erwerbstätigkeit - nicht nur für Mütter sondern auch für Väter - sind kaum möglich in unserer erwerbs- und arbeitsorientierten Gesellschaft. Die Frage nach einem Kind passt nach einer langen Bildungszeit und nach den beruflichen Kompetenzen, die sich Männer wie Frauen erworben haben, kaum in die neue Situation. Von daher ist das Zeitfenster, den Kinderwunsch, der ja erkennbar angestiegen ist, auch zu realisieren, relativ klein geworden. Hier ist es wichtig, dass auch andere gesellschaftliche Bereiche sich bemühen, eine Kinderfreundlichkeit nicht nur zu predigen, sondern dafür auch Sorge zu tragen.  

domradio: Zwölf Prozent des Elterngeldes haben alleine Männer beantragt. Sie wollen wieder häufiger eine Familie gründen, so die Familienministerin. Hatte denn der Wunsch nach Familie wirklich auch bei Männern nachgelassen?
Bußmann: Ich glaube, es ist genau umgekehrt. Bei den Männern hat sich eine Erkenntnis eingestellt, dass es eine solch große Bereicherung ist, sich auch mit der Generation von Kindern auseinanderzusetzen, dafür Verantwortung zu zeigen. Wir haben ja ein erkennbar anderes Rollenverhalten: Die Mutter ist nicht ausschließlich für das Kind verantwortlich, sondern es gibt eine gemeinsame  Elterverantwortung. Natürlich ist das auch ein Spagat, weil eine erwerbs- und arbeitsdominierte Gesellschaft immer den Arbeitnehmer, die Arbeitnehmerin ganz fordert. Ohne Rücksicht auf familiäre Bindungen.

domradio: Insgesamt ist die Bevölkerungsentwicklung rückläufig trotz der guten Nachrichten, auf rund 81 Millionen Einwohner. Was könnte denn die Familienpolitik tatsächlich mehr tun, um jungen Menschen mehr Lust auf Familie zu machen?     
Bußmann: Es gibt drei Bereiche, die in den Blick genommen werden müssen. Zunächst brauchen Familien gesicherte, wirtschaftliche Rahmenbedingungen. Wenn das Kind also geboren ist, bedarf es eines Kindergeldes, das ausreichend ist, das auch den Existenzminimumsatz berücksichtigt. Auch Bares auf die Hand sollte es geben und nicht nur einmalige Geschenkpakete wie das Schulstarterpaket als Alibimaßnahme für Familien. Zweitens bedarf es einer familiengerechten Zeitpolitik. Da, so glaube ich, muss man mit viel Phantasie auch nochmals die Wirtschaft einfordern, um die Arbeitssituation so zu gestalten, dass Männer und Frauen gemeinsam, wenn sie denn erwerbstätig sind, Zeit haben für Familie. Drittens muss eine ausreichende Infrastruktur vorhanden sein. Wenn Mütter und Väter - also beide - den Wunsch haben, Familientätigkeit und Erwerbstätigkeit miteinander zu vereinbaren, müssen auseichend Kindertagesstätten, Tagesmütter oder Einrichtungen vorhanden sein. Eltern müssen die Sicherheit haben, dass ihr Kind qualitativ, mit viel Liebe und Zeit betreut wird.