In Kambodscha beginnt 30 Jahre nach dem Ende des Rote-Khmer-Regimes der erste Prozess

Reuiger Folter-Chef vor Gericht

Vor dem Völkermord-Tribunal in Kambodscha hat 30 Jahre nach dem Sturz des Rote-Khmer-Regimes am Dienstag der erste Prozess gegen einen Hauptverantwortlichen begonnen. Der frühere Leiter eines Foltergefängnisses, Kaing Khek Iev alias "Duch", muss sich in der Hauptstadt Phnom Penh wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen verantworten. Der 66-Jährige ist geständig. Bei einem Schuldspruch droht ihm lebenslange Haft.

Autor/in:
Nicola Glass
 (DR)

Im Gefängnis «Tuol Sleng in Phnom Penh, das auch als »S-21« berüchtigt war, waren zwischen 1975 und 1979 mindestens 14.000 Männer, Frauen und Kinder gefoltert und ermordet worden. Insgesamt kamen unter dem kommunistischen Diktator Pol Pot nach Schätzungen 1,7 Millionen Menschen ums Leben. Vor dem Gerichtsgebäude in der Hauptstadt warteten am Morgen mehrere hundert Kambodschaner auf den Beginn der Verhandlung.

Der Vorsitzende Richter Nil Nonn sagte, mit dieser ersten Anhörung nehme das von den UN unterstützte Sondertribunal seine Arbeit als faire und unabhängige Einrichtung auf. Zunächst beriet das Gericht über Verfahrensfragen im Prozess gegen »Duch«. Erste Zeugen sollen im März aussagen. Das Verfahren wird voraussichtlich bis zu sechs Monate dauern. Ein Urteil wird für September erwartet.

Gleich zu Beginn hatte »Duchs« Verteidiger Francois Roux Respekt für die Menschenrechte seines Mandanten eingefordert. Er legte Einspruch gegen den Antrag ein, einen neuen Nebenkläger zuzulassen, weil er sich erst nach Ablauf der gesetzten Frist gemeldet habe. Weiter kritisierte Roux, es sei nicht akzeptabel, dass Kaing Khek Iev seit fast zehn Jahren ohne Gerichtsverfahren inhaftiert sei. Im Gegensatz zu anderen Angeklagten habe er zudem seine Verbrechen zugegeben und die Opfer um Verzeihung gebeten.

Der Prozess wird im In- und Ausland mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Das Tribunal werde hoffentlich ein Modell sein »für eine unabhängige und unparteiische Justiz, und das in einem Land, das nicht dafür bekannt ist«, sagte Heather Ryan von der Organisation »Open Society Justice Initiative«. Es ist der erste internationale Gerichtshof mit mehrheitlich einheimischen Richtern und Anklägern. Urteile aber können nur mit Zustimmung mindestens eines UN-Richters gefällt werden.

Trotz der Beteiligung ausländischer Juristen sind viele Kambodschaner skeptisch, ob die Prozesse tatsächlich fair sein werden. Denn dem jetzigen Staatsapparat unter Premierminister Hun Sen werden Verbindungen zu ehemaligen Kadern der Roten Khmer nachgesagt. Hun Sen war einst selbst ein Offizier der Roten Khmer, ehe er 1977 zu den Vietnamesen überlief.

Außer »Duch« müssen sich noch vier weitere Ex-Führer der Roten Khmer vor dem Sondertribunal verantworten, darunter der ehemalige Staatschef Khieu Samphan. Sie hatten jahrelang unbehelligt in Freiheit gelebt und erklärt, von den Gräueln nichts gewusst zu haben.

Dazu gehört auch der damalige Chefideologe Nuon Chea und Ex-Außenminister Ieng Sary sowie dessen Frau und einstige Sozialministerin Ieng Thirith. Der Chef der Roten Khmer, Pol Pot, starb 1998.

Deutschland unterstützt das Tribunal und die Betreuung von fast hundert Nebenklägern. Bisher sagte die Bundesregierung 6,8 Millionen Euro dafür zu. Der deutsche Staatsanwalt Jürgen Assmann, der die Ankläger des Tribunals berät, unterstrich die Bedeutung der Verfahren. »Viele Kambodschaner denken: Jetzt geht es endlich los. Wir haben viel zu lange darauf gewartet und schon nicht mehr damit gerechnet«, sagte der Hamburger Jurist in einem epd-Gespräch.

Die Prozesse haben laut Assmann vor allem symbolische Bedeutung, weil sie sich auf wenige Hauptverantwortliche an der Spitze des Terrorregimes beschränkten. Bisher gibt es fünf Angeklagte. Über den Vorschlag, gegen sechs weitere Top-Täter vorzugehen, habe das Gericht noch nicht entschieden.

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