Darwin und der Darwinismus sind derzeit keine echten Aufreger

In ruhigerem Fahrwasser

Heute wäre der britische Naturforscher Charles Darwin 200 Jahre alt geworden. Zudem sind nun 150 Jahre seit der Veröffentlichung seines Hauptwerks "Die Entstehung der Arten" vergangen. Mit einer internationalen Konferenz will der Vatikan einen Beitrag zum Darwin-Jahr 2009 leisten. Vom 3. bis 7. März geht es dabei im Kern um die Verhältnisbestimmung von Glaube und Evolutionstheorie.

Autor/in:
Ronald Gerste
 (DR)

Unter dem Thema «Biologische Evolution: Fakten und Theorien» werden vermutlich auch der Streit zwischen Evolutionstheorie und Kreationismus und das umstrittene Konzept des «Intelligent Design» zur Sprache kommen.

Der Präsident des Päpstlichen Kulturrates, Erzbischof Gianfranco Ravasi, sagte vor Journalisten im Vatikan, er hoffe auf neue Impulse im Dialog zwischen Naturwissenschaft, Philosophie und Glaube. Bei der Vorstellung des Programms äußerten kirchliche Experten deutliche Vorbehalte gegen das Konzept des «Intelligent Design». Demzufolge entwickelt sich die Welt nach dem Plan eines immer wieder eingreifenden Schöpfer- oder Vernunftprinzips.

Der Jesuit Marc Leclerc, Philosoph an der Päpstlichen Universität Gregoriana, nannte die Theorie «völlig inakzeptabel». Gott komme nicht wie ein «deus ex machina», um Erklärungslücken zu schließen, die es in einer wissenschaftlichen Theorie gebe.

Bei der fünftägigen Konferenz, die die Gregoriana mit der Universität Notre Dame (Illinois, USA) organisiert, sollen drei Dutzend europäische und US-amerikanische Wissenschaftler referieren.
Außer dem Schweizer Medizin-Nobelpreisträger Werner Arber nimmt auch der deutsche Philosoph Jürgen Mittelstraß teil. Die Schirmherrschaft über die Tagung hat der Päpstliche Kulturrat übernommen.

Die Annäherung aus naturwissenschaftlich-anthropologischer,
philosophischer und theologischer Perspektive ziele auf grundlegende gemeinsame Überzeugungen, sagte Ravasi. Naturwissenschaft und Religion stünden nicht in Gegensatz zueinander, sondern müssten einander ergänzen. Zugleich wandte er sich gegen einen einseitigen Szientismus. Der Fundamentaltheologe Giuseppe Tanzella-Nitti sagte, aus Sicht der christlichen Theologie schlössen die biologische Evolution und der christliche Schöpfungsgedanke einander nicht aus.

Die Veranstaltung ist Teil einer vom Vatikan im Jahr 2003 gestarteten Reihe zum interdisziplinären Gespräch zwischen Naturwissenschaft, Theologie und Philosophie.


Umstritten: Darwins Lehre in den USA
Schon sein Name ist für viele Amerikaner ein Reizwort, das zu Widerspruch anregt. Für andere ist er Synonym für die wissenschaftlich fundierte Erklärung der Entstehung der Vielfalt des Lebens auf der Erde. Am 12. Februar wird überall auf der Welt - vor allem in seiner Heimat England - des 200. Geburtstags von Charles Darwin gedacht, Begründer der Evolutionslehre.

In den USA ist das Echo auf dieses Datum bislang überraschend gering. Überraschend deshalb, weil eigentlich seit langem eine heftige Auseinandersetzung die Gesellschaft entzweit: Auf der einen Seite steht die Mehrheit, die wie überall auf der Welt Darwins Erkenntnisse als eine der Grundlagen der modernen Biologie betrachtet. Und auf der anderen Seite eine religiös-fundamentalistische Minderheit, meist aus dem Lager der Evangelikalen. Sie lehnt Darwin ab und propagiert stattdessen den Kreationismus, der die biblische Schöpfungsgeschichte wörtlich nimmt und von einem Schöpfer ausgeht, der alle Arten nach seinem Plan geschaffen hat.

Die Zugehörigkeit zu dem einen oder anderen Lager wird in Diskussionen über schulische Lehrpläne deutlich oder auch mit Aufklebern auf dem Auto sichtbar gemacht. An zahlreichen Heckpartien kann man Pro-Darwin-Sticker oder solche erkennen, die den Briten und seine Lehre lächerlich zu machen versuchen.

Dass sich derzeit zum Geburtstag kaum jemand über Darwin entrüsten möchte, liegt an mehreren Umständen. Zum einen sind die Argumente pro Darwinismus und pro Kreationismus so oft, so laut und so intensiv ausgetauscht worden, dass von einem Wiederaufleben der Debatte kein neuer Erkenntnisgewinn erwartet werden kann.

Zudem wird Darwin an seinem runden Geburtstag in den USA schlicht das Rampenlicht gestohlen. An exakt dem gleichen 12. Februar 1809, als Darwin auf dem Herrensitz seines Vaters in Shrewbury zur Welt kam, wurde rund 6.000 Kilometer westlich in einer Holzhütte in Kentucky Abraham Lincoln geboren. Die Feiern zu Ehren des «größten aller US-Präsidenten» lassen hier kaum Platz für die Erinnerung an einen englischen Biologen.

Und letztlich ist die Wirtschaftskrise seit Wochen das alles überlagernde Thema. Die Sorge um den Job und die Angst vor einer Zwangsversteigerung des eigenen Hauses sind wesentlich drückender als die Reflexion darüber, ob Darwin bei der Beobachtung von Singvogelarten auf den Galapagos-Inseln die richtigen Schlüsse gezogen hat.

Bleibt die Frage, was den Kindern in der Schule unterrichtet wird. In der Vergangenheit haben Gerichte, Wähler oder Schulaufsicht die meisten Versuche der Evangelikalen abgeschmettert, dem Kreationismus die Tür zu den Schulen zu öffnen. Im März steht indes eine neuerliche Auseinandersetzung an.

In Texas, dem Staat der Megakirchen und TV-Prediger, werden 7 von 15 Mitgliedern der Schulbehörde dem religiös-konservativen Lager zugerechnet. Der Ausschussvorsitzende Don McLeroy, ein Zahnarzt, etwa verkündet, dass das Leben auf der Erde vor einigen tausend Jahren entstanden sei; ernstzunehmende Wissenschafter sprechen von etwa 4,5 Milliarden Jahren. Wenn es nach McLeroy geht, wird im März darüber entschieden, das Thema «Stärken und Schwächen» der Evolutionslehre zum Bestandteil des Biologie-Unterrichts zu machen - eine Art Codewort für die erste Etappe einer Einführung des Kreationismus in den Wissenschaftsuntericht. Dort gehören indes nach Einschätzung von Schulexperten und Wissenschaftlern glaubensbasierte Thesen nicht hinein.

Führende Geschäftsleute in Texas warnen bereits davor, dass ein Erfolg der religiös Konservativen, den Unterricht in einem der größten US-Bundesstaaten zu beeinflussen, Texas zu einer Lachnummer machen und die Anwerbung gut ausgebildeter Spezialisten erschweren könnte. Noch mögen die Anti-Darwinisten in der Schulbehörde knapp in der Minderheit sein. Doch sie haben die Unterstützung des republikanischen Gouverneurs Rick Perry. Und noch ein Texaner, der gerade nach acht Jahren in der Fremde zurückgekehrt ist, hat Sympathien für die Evolutionsgegner: Ex-Präsident George W. Bush.
Allerdings: Bei seinem derzeitigen Rang auf der Beliebtheitsskala könnte sein Eintreten für die Kreationisten auch zum schönen Geburtstagsgeschenk für Charles Darwin werden.

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