Erzbischof Zollitsch seit einem Jahr Vorsitzender der Bischöfe

Die Krise als Chance begreifen

Es war schon eine kleine Sensation, als die Deutsche Bischofskonferenz vor einem Jahr den Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch an ihre Spitze wählte. Nur wenige Beobachter hatten den Oberhirten des zweitgrößten deutschen Bistums am 12. Februar 2008 auf der Rechnung für die Nachfolge des Mainzer Kardinals Karl Lehmann. Doch das hat sich grundlegend geändert.

Autor/in:
Christoph Arens
Erzbischof Zollitsch: Den Gürtel enger schnallen (KNA)
Erzbischof Zollitsch: Den Gürtel enger schnallen / ( KNA )

Zwar ist der 70-jährige Zollitsch in den Medien nicht ganz so präsent wie sein Vorgänger. Große Gesten sind zudem nicht Sache des Mitglieds der Schönstattbewegung. Doch hat er klare Akzente gesetzt - sowohl, was das Verhältnis zum Judentum und zur evangelischen Kirche angeht, als auch nach innen in die katholische Kirche.

Dabei startete Zollitsch mit einem Paukenschlag. In seinem ersten Interview sagte er im Nachrichten-Magazin «Der Spiegel» eigentlich nur Selbstverständliches: Den Zölibat nannte er «nicht theologisch notwendig». Von vielen Medien wurde das als eine Regierungserklärung mit dem Ziel der Abschaffung der verpflichtenden Ehelosigkeit für Priester gedeutet. Eine Fehleinschätzung, die internationale Schlagzeilen produzierte.

«Ich möchte vielen Menschen das weitergeben, von dem ich lebe», so beschreibt Zollitsch seine Motivation als Priester. Der Erzbischof entstammt einer Familie von Donauschwaben aus Philippsdorf, einer Gemeinde in der heute serbischen Vojvodina. Sein Bruder wurde 1944 von Titos Partisanen ermordet. Er selber überlebte als Kind das Vernichtungslager Gakovo - eine für seinen persönlichen Glauben prägende Erfahrung. 1946 floh die Familie nach Deutschland, wo sie in Mannheim eine neue Heimat fand.

Neben solcher Lebenserfahrung bringt Zollitsch viel Führungserfahrung in das Amt des Konferenzvorsitzenden ein. Im Erzbistum Freiburg war er fast zehn Jahre für die Priesterausbildung und von 1983 bis zu seiner Bischofsweihe 2003 für den Einsatz von rund 1.600 Priestern und Laien in der Seelsorge verantwortlich. Als Finanzchef des Verbandes der Diözesen Deutschland (VDD) erwies er sich als kluger Rechner, der die finanziellen Möglichkeiten der Kirche kennt.

Zu den Höhepunkten seiner bisherigen Amtszeit zählt Zollitsch die christlich-jüdische Gemeinschaftsfeier auf dem Osnabrücker Katholikentag, bei der er und der Augsburger Rabbiner Henry G.
Brandt sich demonstrativ umarmten. Wegen der neuen lateinischen Karfreitagsbitte waren die Beziehungen zwischen Katholiken und Juden damals gespannt. Zollitsch fand die richtigen Worte und die richtige Geste. Er betonte, dass es «keine Wende der Wende im Verhältnis zum Judentum» geben werde. Vertreter der deutschen Juden reagierten mit Erleichterung. Im Streit um die Traditionalistenbischöfe zeigte er in den vergangenen Tagen erneut, dass ihm das christlich-jüdische Verhältnis am Herzen liegt.

Große Hoffnungen setzt der Vorsitzende der Bischofskonferenz in die Ökumene. «Wir haben unserer Welt und unserer Gesellschaft Entscheidendes zu sagen», betonte er. Dabei würden die Kirchen umso mehr wahrgenommen, je mehr sie gemeinsam handelten. Weithin einmalig ist, was Zollitsch und der evangelische Bischof in Baden, Ulrich Fischer, auf ökumenischem Gebiet geleistet haben. 2005 unterzeichneten sie eine Rahmenvereinbarung mit dem Ziel, zu prüfen, ob beide Kirchen in Caritas und Diakonie arbeitsteilig vorgehen könnten. Auch eine engere Zusammenarbeit beim Religionsunterricht wurde vereinbart.

Innerhalb der katholischen Kirche versucht der Erzbischof, den Umbruch als Chance zu begreifen und Mut für neue missionarische Initiativen zu machen. Dabei dürfe es nicht zuerst um Gebote und Vorschriften gehen; die Gemeinden müssten ihre Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass «Menschen zu uns kommen und sich vom Glauben angesprochen wissen». Zugleich warnt der Vorsitzende davor, beim «Lamentieren» über zurückgehende Priester- und Kirchenbesucherzahlen stehenzubleiben. Es gebe viele neue Chancen durch die Mitarbeit von Pastoralreferenten, Gemeindereferenten, Frauen und verheirateten Laien in der Seelsorge.

Innerhalb der Bischofskonferenz versteht sich Zollitsch als Brückenbauer und Vermittler: «Ich bin nicht der Chef der Bischöfe, sondern ihr Moderator», sagt er. Die Einheit der Bischofskonferenz sei viel größer, als mancher das von außen vermute.