Die 100-Tage-Bilanz Obamas fällt bei den Katholiken durchwachsen aus

Mehr als Schönheitsfehler

100 Tage Obama. Während die meisten Bilanzen der neuen US-Politik positiv ausfallen, stoßen innenpolitische Entscheidungen des neuen Präsidenten bei den US-Katholiken auf massiven Widerstand: So die Aufhebung des Verbots jeglicher Unterstützungen für Organisationen, die Abtreibungen durchführen oder über den Schwangerschaftsabbruch informieren und die staatliche Förderung der embryonalen Stammzellenforschung. Vorläufiger Höhepunkt des Konflikts ist die Debatte um eine geplante Würdigung Obamas an der katholischen Universität Notre Dame.

 (DR)

Die jüngst verabschiedete US-Botschafterin beim Vatikan, Mary Ann Glendon, hat die höchste Auszeichnung für Katholiken in den USA abgelehnt. Der Grund: Auch Präsident Barack Obama soll am Tag der Preisverleihung in der traditionsreichen Lehrstätte eine Rede an die Studenten halten. Der Auftritt ist unter Katholiken heftig umstritten. Die langjährige Beraterin der US-Bischofskonferenz erinnerte an deren Empfehlung aus dem Jahr 2004, dass «katholische Institutionen nicht diejenigen ehren sollten, die in Missachtung unserer fundamentalen moralischen Prinzipien handeln». Sie dürften weder Preise noch eine Plattform erhalten, die eine Unterstützung ihrer Handlungen andeuten könnte, so die Harvard-Rechtsprofessorin.

Liberale Abtreibungspolitik in der Kritik
Die ersten Reibungen zwischen Katholiken und dem neuen Präsidenten kamen schon wenige Tage nach Amtsantritt, als sich Obama das hochbrisante Thema Abtreibung vornahm. Sozusagen mit einem Federstrich hob er den Finanzierungsstopp für internationale Organisationen auf, die Abtreibung unterstützen oder empfehlen. Sofort reagierte der Vatikan mit deutlicher Kritik auf die Abkehr vom Kurs von George W. Bush. Nun sei zu befürchten, "dass wir schnell auf eine Enttäuschung zusteuern", klagte Titularerzbischof Rino Fisichella, der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, kürzlich in US-Medien.

Weitere Verstimmungen drohen um den sogenannten Freedom of Choice Act, kurz FOCA genannt, einen Gesetzentwurf für eine liberale Regelung der Abtreibungsfrage. Aufgebrachte Gegner argumentieren, das Gesetz werde so weit gehen, dass selbst US-Krankenhäuser und Ärzte, die aus Gewissensgründen keine Abtreibungen durchführen, dazu gezwungen werden könnten. Das hat Obama bisher freilich stets zurückgewiesen, den Gesetzesentwurf unterstützt er allerdings. Im Wahlkampf hatte er angekündigt, sich als Präsident für die Verabschiedung einzusetzen.

Förderer der Stammzellforschung
Auch Obamas Sympathien für die Stammzellforschung und eine vollständige rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen irritieren den Vatikan und die katholische Geistlichkeit in den USA. Im März hob Obama eine Verfügung seines Vorgängers George W. Bush auf, die eine staatliche Finanzierung der embryonalen Stammzellforschung verbot. Nach der alten Regelung aus dem Jahr 2001 durften Forscher bislang nur mit Stammzellen arbeiten, die vor dem 9. August 2001 erzeugt wurden. Als Ziel kündigte Obama nun an, den USA einen führenden Platz in diesem Bereich zu sichern.

Der religiös motivierten Haltung Bushs erteilte der Präsident eine deutliche Absage. «Statt den Fortschritt zu fördern, hat unsere Regierung in den vergangenen Jahren eine falsche Wahl zwischen Wissenschaft und moralischen Werten erzwungen», sagte Obama. Der Präsident betonte, als gläubiger Christ sei er überzeugt, dass «es unsere Pflicht ist, uns umeinander zu kümmern und alles zu tun, um menschliches Leid zu lindern».

Embryonale Stammzellforschung ist in den USA legal. Bisher wurde diese Forschung von Konzernen und akademischen Einrichtungen finanziert. In Kraft bleibt vorläufig ein Gesetz, wonach der Staat die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken nicht finanzieren darf. Nur der Kongress könnte dieses Gesetz kippen.

Im Vorfeld der Entscheidung hatte sich die katholische US-Bischofskonferenz wiederholt gegen eine vollständige Legalisierung und staatliche Förderung der embryonalen Stammzellforschung gewandt. Auch von Seiten des Vatikans war im Vorfeld Kritik an der geplanten Aufhebung der Gesetzesvorgaben laut geworden.

Das Weiße Haus will zudem Maßnahmen zur Gleichberechtigung Homosexueller treffen. Obama kündigte an, das Gesetz zur Verteidigung der Ehe rückgängig machen, das 1996 von Bill Clinton in Kraft gesetzt wurde und einzelnen Bundesstaaten die Möglichkeit gibt, Ehen von Homosexuellen nicht anzuerkennen.

Nicht der erste Präsident
Obama ist nicht der erste Präsident, mit dem es der Vatikan in der jüngeren Vergangenheit aufgenommen hat. Schon Papst Johannes Paul II. (1978-2005) rügte Bill Clinton für seine Unterstützung der embryonalen Stammzellforschung. Und sogar George W. Bush, unter dessen Präsidentschaft die bislang engsten US-Beziehungen zum Vatikan entstanden, wurde 2003 vom Heiligen Stuhl heftig für seine Invasion in den Irak gescholten.

Kritiker wie Richard Doerflinger, Vizerektor des Lebensschützer-Sekretariates der US-Bischofskonferenz, sind sicher, dass es diesmal ernster ist: Die Abtreibungsgesetzgebung werde zum unvermeidbaren Streitpunkt zwischen Weltmacht und Kirche. Der Vatikan reagiert laut Doerflinger inzwischen auch aggressiver, wenn es um die Verteidigung seiner Positionen gehe. In der Tat kam es in den vergangenen Jahren häufiger zur Exkommunikation katholischer Politiker, wenn sie Maßnahmen unterstützen, die den Lehren der Kirche widersprachen.

Es gibt auch zahlreiche Berührungspunkte
Großes Lob zollten die Bischofskonferenz und katholische Geistliche dem neuen US-Präsidenten immerhin für die Einführung einer Krankenversicherung für die Kinder von Geringverdienern und Arbeitslosen. Auch der Applaus für die sofortige Beendigung der US-Folterpraxis sowie die Anordnung zur Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo zeigen: Es gibt auch zahlreiche Berührungspunkte zwischen der Kirche und dem linksliberalen Präsidenten.