Irakische Flüchtlinge in Syrien vor den Provinzwahlen am Samstag

"Für den Irak gibt es keine Hoffnung"

Heute sind die Iraker zu Regionalwahlen in den Provinzen aufgerufen. Der Wahlkampf war bis zuletzt in vollem Gange. 14.000 Kandidaten stellen sich dem Votum des Volkes, knapp 15 der 28 Millionen Iraker haben sich in den Wählerlisten registrieren lassen. Es heißt zwar, es sei ruhiger geworden im Irak. Allerdings wurden bereits drei Kandidaten bei Anschlägen ermordet. Nur ein Indiz für die weiter angespannte Lage im Land. Die Vertriebenen im In- und Ausland sind ein weiteres.

Autor/in:
Karin Leukefeld
 (DR)

Für die Wahlberechtigten unter den zwei Millionen Binnenvertriebenen werden nach Angaben der UN-Hilfskommission für den Irak (UNAMI) besondere Wahlzentren eingerichtet. Die 2,5 Millionen Menschen, die ins Ausland, etwa nach Jordanien oder Syrien flohen, können dagegen nicht wählen.

Der Urnengang würde ohnehin nichts ändern, meint Bassam Habib. Der 47-jährige Ingenieur floh im August 2007 aus Mossul nach Damaskus, weil er Todesdrohungen erhielt. "Für den Irak gibt es keine Hoffnung", sagt er resigniert. Natürlich werde der Abzug der US-Truppen die Situation verändern. Aber niemand wisse, ob es besser werde. "Alles ist unklar im Irak. Niemandem kann man trauen, keiner Partei, keinem Politiker", meint Bassam Habib. "Selbst wenn man jemanden wählt, weiß man nicht, was diese Person tun wird, wenn sie politische Macht bekommt."

Wenig Sehnsucht nach der Heimt
Sehnsucht in die Heimat klingt anders. Und scheinbar geht es vielen Irakern im Ausland so. Die irakische Regierung hat zwar ein knapp 200 Millionen US-Dollar schweres Rückkehrprogramm aufgelegt, übernimmt die Kosten für Bus oder Flug und verspricht Wohnung und Arbeit. Aber im vergangenen Oktober machten nur 140 Personen Gebrauch von dem Angebot, so eine Sprecherin der irakischen Botschaft in Damaskus. Die Enttäuschung über die geringe Resonanz ist ihr anzumerken.

Zwar führen jeden zweiten Tag Busse von Damaskus nach Bagdad, doch "alle haben eine Rückfahrkarte", erzählt der Manager beim Busunternehmen Al Basil in Saida Zeynab, einem Vorort südlich von Damaskus. "Wenn sie ihre privaten oder behördlichen Verpflichtungen erledigt haben, kommen sie zurück."

Rund 1.800 Iraker überquerten allein am Grenzpunkt Al Tanf täglich die Grenze von Syrien in den Irak, sagt Philippe Leclerq, Repräsentant des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Damaskus. Aus der entgegengesetzten Richtung kämen hingegen täglich 2.500 Iraker. Die syrische Regierung schätzt die Zahl der irakischen Flüchtlinge in ihrem Land auf 1,5 Millionen; rund 220.000 sind beim UNHCR registriert. Knapp 30.000 von ihnen sind Christen.

Eingesperrt in einem fremden Land
Mary Wahan Assoian ist orthodoxe Armenierin aus Bagdad. Die Mittfünfzigerin wird von der Hilfsorganisation Terre des Hommes Syrien betreut, weil ihr Bruder am Down-Syndrom erkrankt ist und besondere Hilfe braucht. "Willkommen, bitte, greifen Sie zu", nötigt sie ihre Gäste nach allen Regeln arabischer Gastfreundschaft. Doch die Traurigkeit kann sie nicht ganz verbergen. Als sie vom Tod des Vaters im Krieg berichtet, rinnen ihr Tränen übers Gesicht. Sekunden später hat sie sich wieder unter Kontrolle - trotz ihrer schrecklichen Erlebnisse.

"Mein Bruder und ich lebten allein, wurden ausgeraubt", erzählt Assoian. "Dann drohten Unbekannte, ihn zu entführen und als lebende Bombe einzusetzen. Uns blieb keine Wahl - wir mussten fliehen." Seit Mai 2004 lebt sie nun mit ihrem Bruder in Syrien. Sie würde gerne arbeiten. Doch das sei den irakischen Flüchtlingen hier verboten.

"Ich bin wie eingesperrt", sagt sie, "in einem fremden Land, allein, mit einem kranken Bruder, ohne Geld." Eine Rückkehr in den Irak kommt für sie dennoch nicht in Frage - "niemals". Für Christen gebe es keine Chance mehr in Bagdad. Sie würden von den Muslimen nicht mehr akzeptiert.

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