Die Beziehungen Washington-Rom unter einem neuen US-Präsidenten

Obama und Benedikt XVI.

Ins Weiße Haus in Washington zieht ein neuer Präsident ein - und die ganze Welt schaut mit hoffnungsvollen Blicken zu. Im Vatikan dürften freilich neben dem allgemeinen Aufatmen auch nachdenklichere Töne zu hören sein: Unter der Ägide von George W. Bush waren die Kontakte gut, trotz aller auch vorhandenen Uneinigkeiten. Mit dem neuen Präsidenten und seinen Weltanschauungen könnte das Verhältnis deutlich abkühlen.

Autor/in:
Adrienne Woltersdorf
 (DR)

Bush, ein sogenannter wiedergeborener Christ, schätzt sowohl Johannes Paul II. (1978-2005) als auch Benedikt XVI. persönlich sehr. Insgesamt traf er sich sechsmal mit einem katholischen Kirchenoberhaupt - mehr als jeder US-Präsident vor ihm.

Dem derzeitigen Papst bereitete der Protestant im April 2008 einen herzlichen Empfang im Weißen Haus. Zwar war es wegen des US-Einmarschs im Irak 2003 zu ernsten Differenzen mit Rom gekommen. Doch Bushs entschiedene Befürwortung wesentlicher Punkte katholischer Morallehre halfen, die Beziehung wieder zu kitten. Kompromisslos lehnte der Präsident Abtreibung, embryonale Stammzellforschung und die sogenannte Homo-Ehe ab.

Heikle Themen
Das dürfte sich unter dem neuen Amtsinhaber Barack Obama ändern. Der neue Mann im Weißen Haus hat schon im Wahlkampf heftige Kritik aus den Reihen der US-Katholiken auf sich gezogen. Anders als sein Vorgänger unterstützt Obama ein «Recht auf Abtreibung» und staatliche Förderung von Stammzellforschung. Zwar befürwortet der Jurist und aktive Protestant persönlich nicht die «Homo-Ehe»; als Politiker beharrt er jedoch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung.

Dennoch startete das neue römisch-amerikanische Verhältnis vielversprechend. Am Tag nach dessen Wahlsieg gratulierte Benedikt XVI. dem ersten afroamerikanischen US-Präsidenten. Er würdigte die «historische» Dimension von Obamas Sieg und versicherte ihn seiner Gebete, damit «Gott ihn und das geliebte amerikanische Volk unterstütze in seinem Bestreben, eine friedliche, solidarische und gerechte Welt zu schaffen».

Gleichwohl hat die US-Kirche Obama schon wissen lassen, dass man auf Konfrontationskurs zu seinen Überzeugungen zu Abtreibung und Stammzellforschung gehen werde. US-Kurienkardinal James Stafford, früherer Erzbischof von Denver, kritisierte Obamas Haltung sogar als eine «aggressive, entzweiende und apokalyptische Vision».

Dieser Unterschied im Ton zwischen Kirchenleitung und US-Geistlichkeit habe Methode, meint der Autor Massimo Franco. In seinem neuen Buch «Parallel Empires» vertritt er die These, dass die unverhohlene Kritik der US-Kirche und ihre Androhung von politischem Druck auf die neue Regierung es Rom erlaube, freundlich zu bleiben.

Stolpersteine in Sicht
Dennoch: Stolpersteine sind schon in Sicht. In einer Wahlkampfrede vor Abtreibungsbefürwortern versprach Obama 2007, als Präsident den umstrittenen «Freedom of Choice Act» unterzeichnen zu wollen. Dieser Gesetzentwurf zielt darauf, Hindernisse für Frauen, die eine Abtreibung wünschen, weitreichend abzuschaffen. Das Gesetz, so warnen Kritiker, würde selbst katholische Krankenhäuser zwingen, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen.

Ein weiterer potenzieller Streitpunkt könnte das jüngste Urteil eines US-Berufungsgerichts werden. Es befand, dass eine Klage gegen katholische Priester wegen sexuellen Missbrauchs auch auf den Heiligen Stuhl ausgedehnt werden könne - obgleich der den Status eines souveränen Staates hat.

Einigkeit bei vielen Themen
Auch wenn sich Obama bislang nicht zu seiner Sicht auf die Beziehungen zum Vatikan geäußert hat, wird es nach Meinung von Beobachtern trotz Uneinigkeiten auch Politikbereiche geben, in denen sich beide Seiten verständigen können. Da wären zum einen die christlichen Gemeinden im Nahen und Mittleren Osten, die für beide Akteure besondere Bedeutung haben; zum anderen die gemeinsamen Ziele der weltweiten Armutsbekämpfung, des Kampfes gegen Ungerechtigkeit sowie die überfällige Reform des US-Einwanderungsrechts.

Raymond Flynn weiß, wie produktiv gute Beziehungen zwischen Rom und Washington sein können. Als US-Botschafter unter Präsident Bill Clinton koordinierte er von 1993 bis 1997 gemeinsame humanitäre Engagements von Vatikan und US-Regierung in Indien, Ruanda, Burundi und auf dem Balkan. «Der Vatikan ist wegen seines weltweiten Ansehens sehr hilfreich für die US-Außenpolitik, sagte Flynn kürzlich in US-Medien: "Der Vatikan ist weder an Öl noch an Militär oder wirtschaftlicher Dominanz interessiert. Der Vatikan will Frieden und Stabilität."

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