Zollitsch: Familien sind mehr als "Humankapital"

"Frost des Egoismus"

Der Freiburger katholische Erzbischof Robert Zollitsch hat dazu aufgerufen, Familien stärker zu unterstützen und Familienpolitik nicht einseitig für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verzwecken. "Eine Politik, die primär an der 'Marktfähigkeit' des Menschen und am 'Humankapital' der Familien interessiert ist, wird den eigentlichen familiären Belangen nicht gerecht", sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz am Dienstagabend beim Neujahrsempfang seines Bistums in Freiburg.

Erzbischof Zollitsch: Den Gürtel enger schnallen (KNA)
Erzbischof Zollitsch: Den Gürtel enger schnallen / ( KNA )

Zollitsch nannte es einen gesellschaftlichen Skandal, dass im «nach wie vor reichen Deutschland» für manche Eltern Kinder ein Armutsrisiko bedeuteten. Die Gesellschaft müsse dafür sorgen, dass Kinder in der Familie geborgen und geliebt aufwachsen könnten. Familien haben nach Ansicht Zollitschs auch bei der Vermittlung von Werten eine zentrale Verantwortung. «Die Familie ist und bleibt die grundlegende Keimzelle der Gesellschaft.»

Vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise warnte Erzbischof Zollitsch vor einem «Frost des Egoismus». Ohne Solidarität und christliche Nächstenliebe drohe eine Ellenbogengesellschaft. Deshalb seien «Trainingslager der Solidarität» notwendig, wie sie die kirchlichen Gemeinden, Verbände und Gemeinschaften darstellten.

Geduld in der Ökumene
In Sachen Ökumene hat Zollitsch zu mehr Geduld aufgerufen: «Wir haben in der Vergangenheit viel gearbeitet und müssen weiterarbeiten», sagte er in einem Interview der «Ökumenischen Information» der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA-ÖKI). Es sei aber zu spüren, dass das, was seit der Reformation auseinandergewachsen sei, «nicht so schnell wieder zusammenwachsen kann».

Die Ökumene sei nach wie vor ein dringliches Anliegen der Kirchen, unterstrich der Freiburger Erzbischof und betonte zugleich sein persönliches Engagement im konfessionellen Dialog: «Ich tue, was ich kann, damit wir uns besser verstehen.» Es gebe keine ökumenische Krise, sondern «eher eine gewisse Ermüdung». Manchen gehe die Entwicklung nicht schnell genug nach vorn. Als Kernfragen bezeichnete Zollitsch das Verständnis von Kirche, Amt und Abendmahl.

Der Bischofskonferenz-Vorsitzende rief zugleich zu mehr Respekt zwischen Protestanten und Katholiken auf. Die bestehenden Unterschiede seien so zu formulieren, «dass ich dem anderen ins Auge sehen kann». Mit Blick auf das katholische Kirchenverständnis, demzufolge die protestantischen Gemeinschaften nicht «Kirche im eigentlichen Sinn» sind, unterstrich Zollitsch, er spüre, «dass sich manche verletzt fühlen». Es gebe unterschiedliche Auffassungen, doch er akzeptiere, «dass auch andere sich in ihrem Sinn als Kirche verstehen».

Kein gemeinsames Abendmahl
Vom 2. Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) 2010 in München erwartet sich der Erzbischof ein «gemeinsames Zeugnis der Christen in einer immer säkularer werdenden Welt». Der Kirchentag sei eine Chance, über die Gottesfrage, Werte sowie andere Glaubensthemen zu diskutieren. Ablehnung signalisierte Zollitsch hingegen bei der Frage eines gemeinsamen Abendmahls für konfessionsverschiedene Familien. Er könne jedes Paar verstehen, das gemeinsam zum Tisch des Herrn gehen wolle. Doch dies sei die «falsche Richtung».