Konjunkturpaket II: Sozialverbänden gehen Entlastungen für Familien nicht weit genug

Historische Chance vertan?

Den Sozial- und Wohlfahrtsverbänden gehen die Entlastungen für Familien im zweiten Konjunkturpaket der Bundesregierung nicht weit genug. Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, erklärte am Dienstag in Berlin, die Bundesregierung habe die historische Chance vertan, Konjunkturmaßnahmen mit einer wirksamen Bekämpfung der Armut zu verbinden. Der Caritasverband begrüßte die Anhebung von Hartz-IV-Leistungen für Schulkinder, forderte aber eine Erhöhung für alle Altersgruppen.

 (DR)

Ähnlich äußerten sich der Sozialverband Deutschland, die Vizepräsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, Donata Freifrau Schenck zu Schweinsberg und das Zukunftsforum Familie.

Die Koalitionsparteien hatten in der Nacht zum Dienstag im Rahmen des zweiten Konjunkturpakets auch mehrere sozialpolitische Maßnahmen beschlossen. So sollen die Hartz-IV-Regelsätze für Kinder von sechs bis 13 Jahren von 211 um 35 Euro auf 246 Euro erhöht werden. Die Regelsätze für jüngere und ältere Kinder bleiben unverändert. Kinder unter sechs Jahren erhalten 211 Euro im Monat, Kinder und Jugendliche ab 14 Jahren 281 Euro. Eltern, die Kindergeld beziehen, sollen für jedes Kind einmalig 100 Euro zusätzlich erhalten. Davon sind Sozialleistungsempfänger ausgeschlossen.

Bei der Steuer werden Familien durch einen niedrigeren Eingangssteuersatz von künftig 14 statt 15 Prozent entlastet, außerdem soll der Grundfreibetrag um 340 auf 8004 Euro angehoben werden. Der Krankenkassenbeitrag soll um 0,6 Prozentpunkte sinken. Alle Maßnahmen sollen zum 1. Juli wirksam werden.

Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband warf der Regierung vor, großzügige Schutzschirme für Unternehmen zu spannen, während die «Bedürftigen einmal mehr im Regen stehen gelassen und mit ein paar Almosen abgespeist werden». 80 Prozent der Hartz-IV-Empfänger gingen leer aus. Gleichwohl sei es ein richtiger Schritt, die Regelsätze für Schulkinder zu erhöhen.

Caritas-Präsident Peter Neher begrüßte die Anhebung der Regelsätze ebenfalls. Dies sei jedoch nicht aus konjunkturellen Gründen geboten, sondern erforderlich, um das Existenzminimum von Familien zu sichern, sagte der Chef des katholischen Wohlfahrtsverbandes. Die Regelsätze müssten nicht um 35 Euro, sondern um 54 Euro steigen, um den Bedarf von Schulkindern zu decken.

Es sei gut, dass die Regierung etwas tue, um Arbeitsplätze zu sichern, sagte die Vizepräsidentin des Roten Kreuzes, von Schenck, die seit Jahresbeginn auch Präsidentin der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege ist, dem epd in Berlin. Dies helfe aber nur langfristig und sei «zu wenig für die Kinder, die schon heute von Armut betroffen sind». Nicht jede Familie profitiere von den beschlossenen Steuerersparnissen. «Wir müssen uns immer fragen, wie können wie diejenigen stützen, die es wirklich brauchen?», sagte sie.
Das gelte auch mit Blick auf die geplante Einmalzahlung von 100 Euro pro Kind.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer rechnete in Berlin vor, dass durch die Entlastungen bei Steuern und Sozialbeiträgen Ehepaare mit zwei Kindern je nach Höhe ihres Einkommens im Jahr rund 300 bis rund 500 Euro mehr zur Verfügung haben. Bei einem Einkommen von 30.000 Euro liege die Entlastung bei 314 Euro, bei einem Einkommen von 70.000 Euro bei 527 Euro, sagte der bayerische Ministerpräsident. Der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier betonte, mehr als die Hälfte der beschlossenen Investitionen von 18 Milliarden Euro in die öffentliche Infrastruktur in diesem und im kommenden Jahr seien für Schulen und Kindergärten vorgesehen.

Demgegenüber attestierte der Vorsitzende der Linksfraktion, Gregor Gysi, dem zweiten Konjunkturpaket «eine schwere soziale Schieflage». Normalverdienende würden nur lächerlich entlastet, Geringverdiener, Rentner und Sozialleistungsbezieher gingen weitgehend leer aus. Hingegen würden Vermögende und Unternehmen weiter entlastet, und «kein Mega-Reicher, der Nutznießer der Krise ist, muss auch nur einen Euro zu ihrer Bewältigung zahlen», kritisierte Gysi.