50 Jahre Revolution und Kirche auf Kuba

Steuern durch schwierige Gewässer

2009 hat für die Kubaner besondere Bedeutung: Vor 50 Jahren, am 1. Januar 1959, läutete Fidel Castros siegreiche Revolution eine neue Ära ein - und machte Schluss mit vielen Freiheiten. Nun, seit dem Übergang der Präsidentschaft von Fidel auf Raul Castro, werden nach einem halben Jahrhundert die Rufe nach einem neuerlichen Wandel ganz allmählich lauter. Auch die katholische Kirche spürt einen Aufbruch.

Autor/in:
Brigitte Schmitt
 (DR)

Ungeachtet vieler Probleme sieht die katholische Kirche Kubas positive Anzeichen für eine Besserung der Verhältnisse. Damals, Anfang der 60er Jahre, wurden mehr als 2.500 Priester und Ordensleute von Castros Revolutionären ausgewiesen, Kirchengüter beschlagnahmt und ihre Schulen geschlossen. Über Jahrzehnte fand in der Kirche der "Heiligen Maria und Helena" im Osten von Havanna kein Gottesdienst statt. Zwischenzeitlich als Lagerhaus und Diskothek missbraucht, wurde der Bau Anfang April 2008 nach 18 Monaten Restaurierung wieder seiner ursprünglichen Bestimmung übergeben. Ein Beispiel für die kleinen Schritte der Öffnung, über die sich Kubas Kirche derzeit freut.

Doch nur die Alten erinnern sich noch gut ihrer katholischen Wurzeln. Die Jugend, in Castros Atheismus erzogen, muss ganz neu für die Kirche gewonnen werden. Eine Herausforderung, sagt Kardinal Jaime Ortega Alamino. Seit 26 Jahren steht er an der Spitze der Erzdiözese Havanna und versucht, das Schiff Kirche diplomatisch durchs stürmische Wasser zu führen. Kein einfaches Unterfangen. Immer wieder wird der Kirche und auch dem Vatikan vorgeworfen, nicht laut genug gegen Menschenrechtsverletzungen des Regimes zu protestieren.

Dabei war es gerade die Kritik der Kirche am marxistischen Kurs der Revolution, auf die der katholisch gebildete Fidel Castro mit Peitschenhieben reagierte. Es war und ist die Stimme der Kirche, die gegen das seit 50 Jahren bestehende US-Wirtschaftsembargo protestiert. Und es war der damalige Kardinal-Staatssekretär Angelo Sodano, der 2003 scharf die Erschießung dreier junger Kubaner verurteilte, die ein Boot geentert hatten, um zu fliehen.

"Leider wird manches entsprechend individueller Interessen verdreht", meint Felipe de Jesus Estevez. Der kubanischstämmige Weihbischof in Miami war kürzlich bei der Seligsprechung des Ordensmannes der Barmherzigen Brüder Jose Olallo Valdes in Camaguey und hat "die Lebendigkeit der Ortskirche" live erlebt.

Nach den Wirbelstürmen des Sommers habe die Erzdiözese über Hilfsorganisationen viel Nothilfe leisten können. Als effiziente Organisatorin steht die Caritas hoch im Kurs. Sicher gehe der Wiederaufbau langsam; das sei aber nicht nur den Stürmen, sondern der prekären Wirtschaftslage zuzuschreiben, so der Bischof. Ihn erstaune "das Durchhaltevermögen dieses Volkes".

Kardinal Ortega lobt, dass seit dem berühmten Besuch von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1998 die hohen kirchlichen Feste auch in den Staatsmedien Widerhall finden. Visiten hoher Kirchenvertreter wie die von Kardinal-Staatssekretär Tarcisio Bertone im Februar 2008 und zuletzt des russisch-orthodoxen Metropoliten Kyrill im Herbst finden großes Medienecho. Die Anwesenheit von Staatspräsident Raul Castro bei der Messe werten auswärtige Beobachter freilich als gut inszenierte Medienshow.

Ansonsten führt die Kirche allerdings ein Schattendasein; ihre Stimme ist auf Diözesanzeitungen mit geringer Reichweite beschränkt. Deren Internet-Präsenz wird zwar im Ausland wahrgenommen; Kubaner haben aber kaum Zugang zum Web. Schon seit Jahren fordert Ortega, der Kirche Zugang zum landesweiten Radio und Fernsehen zu ermöglichen.

"Die Möglichkeit, in den Bildungsmedien präsent zu sein, ist etwas, auf das die Kirche nicht verzichten kann", sagte Ortega der Kulturzeitschrift "Temas". Sie brauche mehr Personal und besseren Medienzugang, um den Verfall der Familien aufzuhalten, um den unter der Jugend wahrnehmbaren spirituellen Hunger zu stillen, um die Darbenden und Enttäuschten zu trösten.

Der Kardinal betonte, der Kirche gehe es nicht um Politik; sie wolle sich Gehör verschaffen als Stimme des Gewissens. "In Kuba wird viel nachgedacht und debattiert. Das sind Anzeichen, dass etwas im Gange ist, dass sich die Dinge bessern", meint Ortega. "Wir hegen große Hoffnungen."