Bundestag debattierte Spätabtreibungen - Mehrheit für Gesetzesänderung

In die richtige Richtung

In einer nachdenklichen Atmosphäre hat der Bundestag am Donnerstag erstmals in dieser Legislaturperiode über Spätabtreibungen diskutiert. In der zweistündigen Debatte blieb umstritten, ob eine psychosoziale Beratung der schwangeren Frauen gesetzlich vorgeschrieben werden soll. 12 von 20 Rednern plädierten für eine gesetzlich verpflichtende Vorgabe. Die katholische Kirche begrüßt diese Entwicklung.

 (DR)

Mehrere Redner bekräftigten, dass es um eine bessere Beratung im Rahmen der sogenannten medizinischen Indikation und in keiner Weise um eine Änderung des Paragraphen 218 gehe. Für Mitte März ist nun eine Expertenanhörung vorgesehen. Ende April soll das Parlament entscheiden.

Zur Debatte standen drei Gesetzentwürfe, die in unterschiedlicher Weise für mehr Beratung sorgen wollen. Dazu kamen zwei Anträge, die sich gegen mehr Beratung wenden und auf mehr Hilfen setzen. Das Parlament war während der Aussprache zu maximal einem Drittel gefüllt; jedoch folgten mehr Abgeordnete der Aussprache als bei der vorherigen Regierungserklärung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) zu Europa.

Befürworter aller fünf Konzepte mahnten einen veränderten Umgang der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderung an. Dabei bestehe in allen gesellschaftlichen Bereichen Nachholbedarf. Zu Wort kamen 18 weibliche und zwei männliche Abgeordnete.

Johannes Singhammer (CSU), der für das zumeist von der Union unterstützte Konzept einer gesetzlichen Verpflichtung des Arztes zur weiteren Beratung der schwangeren Frau warb, mahnte eine baldige Entscheidung an. Die Politik müsse handeln und dürfe Frauen nicht länger allein lassen. Heute würden neun von zehn Schwangerschaften mit Kindern, die ein Down-Syndrom hätten, abgetrieben.

Christel Humme (SPD) warnte dagegen vor einer gesetzlichen Änderung und warf Singhammer vor, Frauen unter Druck setzen zu wollen. Diesen Vorwurf wiesen im weiteren Verlauf der Aussprache mehrere Rednerinnen verschiedener Fraktionen zurück. Humme plädierte mit vielen anderen Sozialdemokraten dafür, mehr und bessere Beratung im Vorfeld vorgeburtlicher Untersuchungen anzubieten. Gesetzliche Regelungen trügen nicht dazu bei, das gesellschaftliche Klima für behindertes Leben zu verbessern.

Kerstin Griese (SPD) warnte davor, aus der Debatte «einen Kulturkampf zu machen». Derzeit gebe es bei der Beratung schwangerer Frauen eine Lücke, die zu schließen sei. Sonst würden Frauen alleingelassen. Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach von einer «zutiefst gesellschaftlichen Frage»; es gehe nicht um Misstrauen gegenüber betroffenen Frauen.

Der Grüne Thilo Hoppe forderte - wie er sagte, im Namen einer kleinen Abgeordnetengruppe von Grünen, SPD, Union und FDP - eine strikte Verpflichtung zu verbindlicher psychosozialer Beratung. Die Abgeordneten sollten bei diesem Thema «Rechts-Links-Schemata» ablegen.

Kirche: Debatte zeigt Fragwürdigkeit des Gesetzes
Die katholische Kirche hat die Überlegungen zu einer Gesetzesänderung bei Spätabtreibungen begrüßt. Die Debatte habe gezeigt, wie fragwürdig die jetzige Gesetzeslage sei, sagte der Leiter des Katholischen Büros bei der Bundesregierung, Prälat Karl Jüsten, am Donnerstag auf Anfrage in Berlin. Es müsse aber tatsächlich zu einer echten Verbesserung kommen.

Jeder Schritt sei positiv zu bewerten, der zu einem besseren Lebensschutz beitrage und eine Diskriminierung Behinderter verhindern helfe, fügte Jüsten hinzu. Eigentlich dürfe es eine Abtreibung wegen einer Behinderung des Kindes nicht geben. Jede Unterscheidung, ob Leben lebenswert sei oder nicht, sei anmaßend.

Jüsten fügte hinzu, viele Abgeordnete bemühten sich engagiert darum, betroffenen Frauen zu helfen, auch zu einem behinderten Kind ja zu sagen. Der Prälat mahnte, des ungeborene Kind habe in jeder Phase der Schwangerschaft den vollen Status der Menschenwürde.

Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla begrüßte die Debatte.
Notwendig sei eine «sattelfeste rechtliche Grundlage» mit verpflichtender Beratung und genauerer Statistik, meinte er. Er würde es nachdrücklich begrüßen, wenn sich auch die SPD dieser Meinung anschließen könnte. Die Union sei dem Schutz des ungeborenen Lebens verpflichtet und nehme diese Verantwortung wahr, sagte er.


Als Spätabtreibung gelten Abbrüche ab der 23. Schwangerschaftswoche. In den vergangenen Jahren lag deren Zahl nach offiziellen Angaben bei jeweils gut 200. Wie auch bei der Neuordnung der Gesetzgebung zum Schwangerschaftsabbruch in den 1990er Jahren befasst sich der Bundestag mit diesem Thema nicht nach Fraktionsgrenzen. Jeder Abgeordnete kann sich frei entscheiden. Dennoch gibt es bei den meisten Fraktionen große Blöcke.