Köhler und Merkel betonen universelle Gültigkeit von Menschenrechten

Menschenrechte vor Traditionen

Zum 60. Jahrestag der UN-Menschenrechtserklärung haben Vertreter aus Politik und Gesellschaft die universelle Gültigkeit der Menschenrechte betont. Mit Blick auf Ehrenmorde, Zwangsehen oder Todesstrafen sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei einem Festakt in Berlin, Menschenrechte dürften nicht durch Traditionen oder alte Rechtsgrundsätze relativiert werden.

 (DR)

In der Politik der Bundesregierung seien sie «ein zentraler Wert», der aber häufig nur langsam durchzusetzen sei. «Das erfordert viel Geduld», räumte die Bundeskanzlerin ein. Am Beispiel von Simbabwe, China oder Russland verwies sie auf Zwiespälte, die zum politischen Prozess gehörten. In der Zusammenarbeit mit solchen Ländern die richtige Balance zu finden, zwischen Werten, wie sie die Menschenrechte darstellen, und wirtschaftlichen oder politischen Interessen, sei «nicht so einfach».

Die vor 19 Jahren zu Ende gegangene deutsche Teilung mit «Mauer und Stacheldraht» zeige, wie wertvoll, aber auch wie verletzlich Menschenrechte seien. «Deshalb dürfen wir nie schweigen, wenn es um ihre Einhaltung geht», so die Bundeskanzlerin auf der gemeinsamen Feierstunde von Amnesty International und der Friedrich-Ebert-Stiftung zum 60. Jahrestag der Menschenrechtserklärung.

Bundespräsident Horst Köhler erklärte in Berlin: «Wir in Deutschland leben in Frieden und Freiheit.» Auch aus Dankbarkeit dafür erwachse die Verantwortung, sich für die Menschenrechte einzusetzen. Sie müssten immer wieder aufs Neue erklärt, begründet und verteidigt werden - «hier und in aller Welt». Seit der Verabschiedung der «Magna Charta der Menschheit» (Köhler) sei viel erreicht worden. Dennoch seien auch heute noch der Schutz der Menschenwürde und die Achtung der Menschenrechte in vielen Teilen der Erde nicht gesichert. «Menschen werden gefoltert, erniedrigt, ihrer Rechte und ihrer Existenzgrundlagen beraubt.»

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nannte die Menschenrechte während des Festaktes den «universellen Kompass in einer globalen Verantwortungsgemeinschaft». Auf die Globalisierung der Märkte müsse eine globalisierte Politik folgen, deren Grundsätze die allgemeingültigen Menschenrechte sind. Ihre Durchsetzung erreiche die Politik häufig nur in kleinen Schritten, ein zumeist «unspektakulärer Vorgang, indem man immer wieder Rückschläge erlebt».
Aber standhaft zu bleiben, sei der einzige Weg, um beispielsweise in China die Kräfte zu stärken, die vor Ort für die Menschenrechte eintreten.

Mit einem Appell wandte die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Barbara Lochbihler, an die deutsche Politik. Die Bundesregierung habe nach wie vor «bedauerliche Vorbehalte» gegen die Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention und die UN-Konvention für Wanderarbeiter und ihre Familien. Auch der Umgang mit Flüchtlingen und Illegalen in Deutschland verletze eklatant grundlegende Menschenrechte, sagte Lochbihler. «Dass das Sterben an den EU-Außengrenzen aufhört, ist dringliche Aufgabe Europas und der Bundesregierung.»

Der Schutz der Umwelt muss nach Einschätzung des Mitverfassers der Menschenrechtserklärung von 1948, Stephane Hessel, in neuen Dokumenten und Institutionen besser verankert werden. Die Verfasser 48er-Erklärung hätten diesen Aspekt noch nicht im Blick gehabt, sagte der frühere französische Diplomat im Deutschlandradio Kultur. Der Inhalt der Menschenrechtserklärung sei dennoch das, «was uns noch immer prägt», so der 91-Jährige.

Der Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesregierung, Prälat Stephan Reimers, hob die zentrale Bedeutung der Menschenrechte für den christlichen Glauben hervor. Die Überzeugung, dass der Mensch von Gott geschaffen und von ihm geliebt werde, gebe jedem Einzelnen Würde und Rechte, sagte Reimers im Südwestrundfunk.

Die am 10. Dezember 1948 von der UN-Vollversammlung beschlossene Menschenrechtserklärung entstand aus dem Entsetzen über das Unrecht und die Gräueltaten während des Zweiten Weltkrieges. Das Dokument ist völkerrechtlich nicht verbindlich, bildete aber die Grundlage für spätere Abkommen zum Schutz der politischen, bürgerlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Menschenrechte. «Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren», heißt es im ersten Artikel. Der 10. Dezember wird alljährlich als Tag der Menschenrechte begangen.

Unter dem Motto «Ich schütze sie - sie schützen mich» wurden am späten Nachmittag am Brandenburger Tor mehrere Tausend Kerzen entzündet. Mit der Aktion, an der in Berlin mehrere Hundert Passanten beteiligten, wollte Amnesty dazu aufrufen, sich zu den Menschenrechten zu bekennen. Rund um den Globus fanden nach Angaben der Organisation ähnliche Licht- und Feueraktionen statt.

Mehr zum Thema