Eine Reportage über das Leben mit Aids

Knappes Geld, sozialer Ausschluss

Seit Jahren rufen Hilfswerke und Politiker am heutigen Welt-Aids-Tag zu mehr Prävention auf. Aber was, wenn es zu spät ist? Wenn Menschen bereits mit dem HI-Virus infiziert sind? Knappes Geld und sozialer Ausschluss können dann den Alltag bestimmen.

Autor/in:
Martin Meuthen
 (DR)

"Heute geht's mir ganz gut", sagt Jürgen Veit (Name geändert). Seine Grippe, bereits die sechste in diesem Jahr, flaue endlich wieder ab. Seit 24 Jahren lebt der 47-Jährige Frankfurter mit dem für die Immunschwäche Aids verantwortlichen HI-Virus. Seine damalige Freundin wusste nicht, dass sie infiziert war. Die Diagnose "HIV-positiv" kam im Jahr 1986 einem Todesurteil gleich. "Zwei, drei Jahre haben mir die Ärzte gegeben. Von Heilung war da nicht die Rede", erzählt er.

Auch wenn er nach wie vor von einer Heilung weit entfernt ist - hin und wieder sei er überrascht, dass er immer noch lebt, erzählt Veit. Anfang der 90er brach die Krankheit bei ihm aus. Seitdem sei an ein normales Arbeitsleben nicht mehr zu denken. "Ich merke ganz klar, dass ich einen Vollzeit-Job nicht durchhalten würde." Seit 1993 - da war er 32 Jahre alt - bezieht der Frankfurter eine kleine Rente. Eine Zusatzversicherung, die er vor seiner Infizierung abgeschlossen hatte, hält ihn über Wasser. Für Essen und Kleidung bleiben ihm knapp 300 Euro im Monat, sagt er.

Schnell in die Verrentung
"Damals führte eine Neuinfektion aufgrund der fehlenden Medikamente schnell zur Verrentung", erklärt Ulrich Heide, geschäftsführender Vorstand der Deutschen Aids-Stiftung. "Man hat den Leuten damals nicht dazu geraten, im Job zu bleiben und die Infektion erst einmal beobachten zu lassen", sagt Heide. Somit konnten die Betroffenen auch keine finanziellen Rücklagen für die Zeit nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben bilden.

Peter Mahr (Name geändert) aus Essen ergänzt seine staatliche Frührente von gut 700 Euro mit einem Hausmeisterjob auf 400-Euro-Basis, "weil es anders gar nicht geht". Den Job fand er nach langer Suche, erzählt der 44-Jährige, der seit 22 Jahren HIV-positiv ist. Seinen Arbeitgeber informierte er über seine Krankheit, obwohl er dazu nicht verpflichtet ist. "Das war kein Problem, der ist sehr sozial eingestellt", so der Mittvierziger. Das ist nach Mahrs Erfahrung allerdings die Ausnahme: "Die meisten Arbeitgeber können mit Aids nicht umgehen."

Betroffene müssen immer intensiver unterstützt werden
Rente oder Sozialleistungen reichen für viele HIV-Infizierte nicht aus. Seit mit Hartz IV im Jahr 2005 einmalige Beihilfen des Staates etwa für den Kauf eines neuen Kühlschranks weggefallen sind, hätten sich die Anträge bei der Deutschen Aids-Stiftung für finanzielle Unterstützung verdreifacht, berichtet Ulrich Heide. Krankenkassen übernähmen nur noch sehr selten die Kosten für Seh- und Hörhilfen.

Auch das Alter der Antragsteller steigt nach Beobachtung der Aids-Stiftung. Waren 1997 noch 23,5 Prozent älter als 40, so stieg ihr Anteil 2007 schon auf 55 Prozent. "Betroffene, die nicht nur an der Krankheit, sondern auch an den Nebenwirkungen der langen Medikation und Therapie leiden, müssen immer intensiver unterstützt werden", erklärt Heide.

Wie es einmal bei ihnen sein wird, wissen Peter Mahr und Jürgen Veit nicht. Trotz ihrer Krankheit wollen sie aber den Anschluss an die Gesellschaft nicht verlieren. Veit geht regelmäßig in Schulen, um Schülern von seinem Leben zu erzählen. Das sei wichtiger denn je. Neulich habe ihn wieder eine Schülerin erstaunt angeguckt: "Aids? Ich dachte, das gibt es nicht mehr.