Neues Kinderbildungsgesetz in NRW tritt heute in Kraft

"Voller Erfolg" oder unterfinanziert?

Eine Schwangerschaft dauert neun Monate. Und genauso lange ist es her, dass im NRW-Landtag das bis zuletzt heftig umstrittene neue Kinderbildungsgesetz (KiBiz) des Landes im Parlament verabschiedet wurde. Nun also, neun Monate später, tritt das "KiBiz" zum 1. August in Kraft. Während die Landesregierung aus CDU und FDP einen guten Start erwartet, befürchtet Barbara Geißler als koordinierende Fachbereichsleiterin für Tagesangebote beim paritätischen Wohlfahrtsverband für Kinder eine Unterfinanzierung für die Träger.

Autor/in:
Andreas Rehnolt und Esther Soth
 (DR)

Als «vollen Erfolg» bezeichnete Familienminister Armin Laschet (CDU) das neue Gesetz, das die Bildung und Förderung der Kinder in den Mittelpunkt stelle und mehr Flexibilität für die Eltern bei der Vereinbarung von Familie und Beruf bringe. Dafür stehe auch die Orientierung der Betreuungszeiten am unterschiedlichen Bedarf der Familien, die sich zum Kindergartenjahr 2008/2009 erstmals für eine Betreuungszeit von 25, 35 oder 45 Wochenstunden entscheiden mussten.

Dass deutlich mehr Kinder angemeldet und häufiger lange Betreuungszeiten gewählt wurden als erwartet, wertete Laschet als Vertrauensbeweis der Eltern. Dafür muss der Finanzminister nun tiefer in die Tasche greifen als geplant. Rund 50 Millionen Euro Mehrausgaben erwartet das Familienministerium alleine für dieses Jahr.

Ab 1. August werden 540.000 Kinder in den 9.700 Kindergärten betreut, rund 20.000 mehr als im letzten Kindergartenjahr. Massiv ausgebaut wird das Betreuungsangebot für Kinder unter drei Jahren. Für sie wird es nach Angaben des Ministeriums insgesamt 44.600 Betreuungsplätze geben. Bis zum Jahr 2010 sollen nach den Plänen der CDU-FDP-Regierung sogar rund 70.000 Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren entstehen. Auch mehr Arbeitsplätze verspricht Laschet: Aufgrund der steigenden Nachfrage nach Betreuungsplätzen rechnet er mit 7.400 neuen Vollzeitstellen bis 2010.

Die Kritiker sehen indes trotz Nachbesserungen vor allem Probleme bei der Finanzierung. Das KiBiz sei «schlecht gemacht» und die finanziellen Folgen seien «eine Katastrophe schlechthin», meint etwa Sibrand Foerster, Dezernent beim Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland. «Die Kommunen müssen es bezahlen oder wälzen es auf die Eltern ab», kritisiert Foerster, der auch Mitglied im Landesjugendhilfeausschuss ist. Nach seiner Einschätzung ist das KiBiz «absolut unterfinanziert» und von einer finanziellen Entlastung der Eltern könne nicht gesprochen werden.

Bereits im Vorfeld der Landtagsberatungen im vergangenen Jahr hatte es Kritik am KiBiz gehagelt. Die rot-grüne Opposition sprach vom «Spar- und Verwahrgesetz» und kritisierte unter anderem, dass der Stellenschlüssel für die unter Dreijährigen erhöht wurde. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Erhöhung des Elternanteils an den Kosten von derzeit real 13 Prozent auf 19 Prozent.

Gegen das Gesetz gab es zahlreiche Demonstrationen in verschiedenen Städten, aber auch vor dem Landtag am Rheinufer, wo im vergangenen Sommer über 20.000 Erzieherinnen und Eltern «KiBiz ist Mumpitz» skandierten. Ein Bündnis von 26 Verbänden und Zusammenschlüssen der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe, Berufsverbände und Gewerkschaften sowie Organisationen der Freien Wohlfahrtspflege hatte über 120.000 Unterschriften gegen das Kinderbildungsgesetz gesammelt und «eine gute Zukunft aller Kinder in NRW» gefordert.

Unter anderem hatten die Träger eine mangelnde Planungssicherheit beklagt, da Eltern jedes Jahr neu ihre gewünschten Betreuungszeiten wählen können. Nach entsprechenden Protesten von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen und Gewerkschaften besserte das Ministerium den Gesetzentwurf nach. Danach erhalten die Kindergärten zunächst eine Pro-Kopf-Pauschale für jedes betreute Kind. Sie können am Ende des Jahres aber einen Finanzausgleich vom Land und den Kommunen erwarten, wenn ihre tatsächlichen Betreuungskosten um mehr als zehn Prozent vom Planungsbudget abweichen.

Ob das Geld nun wirklich reichen wird, muss die Praxis zeigen. Das erforderliche Personal für eine Gruppe kann nur bezahlt werden, wenn 25 Kinder betreut werden und es dafür 25 Kopf-Pauschalen gibt. In Waldkindergärten darf eine Gruppe laut Vorschrift aber nur 15 Kinder umfassen - das bedeutet 40 Prozent weniger Fördermittel als für eine «normale» Gruppe trotz gleichen Personalaufwands. Waldkindergärten erwägen deswegen Klagen.

In vielen Einrichtungen herrscht kurz vor dem Inkrafttreten des Gesetzes Skepsis. «Wir sind alle gespannt, was uns das neue Gesetz bringt», erklärt etwa Petra Holletzki vom Kindergarten Löwenzahn im westfälischen Höxter.