Erstes deutsches Kinderhospiz Balthasar wird zehn Jahre alt

Wellness für Joels Seele

Für Joel ist derzeit noch kein Platz im Himmel frei. Das zumindest sagt ihm seine Mutter immer wieder, wenn der Fünfjährige nach seinem Tod fragt. Denn der kann jederzeit eintreten: Joel leidet unter einer unheilbaren Muskelschwäche. Er sitzt inzwischen im Rollstuhl und muss unterstützend künstlich beatmet und ernährt werden. Ein Kampf, den sein Körper irgendwann verlieren wird. Doch jetzt sind er und seine Mutter ganz entspannt. Sie sind im Urlaub und verbringen zwei Wochen im Kinderhospiz Balthasar in Olpe. Die bundesweit erste Einrichtung dieser Art feiert in diesem Jahr zehnjähriges Bestehen.

 (DR)

Für die alleinerziehende Mutter und für Joel ist der Aufenthalt kein normaler Urlaub, sondern "Wellness für die Seele". Als erstes Hospiz speziell für Kinder gilt das Haus in Olpe als Vorreiter in der Arbeit mit unheilbar kranken Jungen und Mädchen. Im September soll das groß gefeiert werden. Seit der Gründung vor einem Jahrzehnt sind in Deutschland acht solcher Häuser entstanden. Der Zweck: die Familien aus ihrem oft traurigen Alltag holen, die Eltern bei der Pflege der Kinder entlasten und ihnen eine Umgebung bieten, in der sie auch einmal ungestört traurig sein dürfen.

Im Hospiz Balthasar können gleichzeitig bis zu acht Kinder mit ihren Familien aufgenommen werden. Ihre Versorgung übernehmen 50 Krankenschwestern, Pflegekräfte, Zivildienstleistende und Ehrenamtliche - rund um die Uhr. Und damit die Eltern wirklich entspannen können, liegen ihre Schlafzimmer ein Stockwerk über denen der Kinder.

Geschwisterliebe
Joels 13-jährige Schwester Joline macht aus der Belastung kein Hehl:
"Ich bin froh, wenn ich ihn mal vom Hals habe." Sie genießt es, in Olpe viel Zeit mit der Mutter zu verbringen und ganz normale Dinge zu tun: einkaufen, schwimmen, kuscheln. Denn auch die Bedürfnisse der gesunden Geschwisterkinder werden im Hospiz ernst genommen. Im Alltag kommen sie meist zu kurz - zwischen Füttern und Wickeln, Krankengymnastik und Sprachförderung, Spritzen und Medikamenten. In Olpe können die Schwestern und Brüder mit Gleichaltrigen reden und an speziellen Freizeitangeboten teilnehmen.

Die Betreuung der Geschwister ist Ergebnis eines langen Lernprozesses, wie Hospizleiter Rüdiger Barth mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre sagt. Weitere Ergebnisse seien Richtlinien für den Umgang mit trauernden Eltern aus anderen Kulturkreisen, Fortschritte in der Schmerztherapie und auch das "Kindertrauerzentrum Thalita" für Jungen und Mädchen, die einen Todesfall verkraften müssen. Das neueste Ergebnis des Lernens im Umgang mit sterbenskranken Kindern: Das deutschlandweit erste Jugendhospiz für unheilbar Kranke zwischen 18 und 25 Jahren, das derzeit nebenan gebaut wird und im November eröffnen soll. Es ist gedacht für junge Leute, die noch keine Aufnahme in einem Erwachsenenhospiz finden, dem Kindesalter aber entwachsen sind.

Träger der beiden Hospize ist die Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe. Der Deutsche Kinderhospizverein, der das Haus damals gründete, hat seinen Schwerpunkt inzwischen auf die Verbesserung der ambulanten Versorgung schwerstkranker Kinder verlagert. Darum sind sowohl das Kinder- als auch das Jugendhospiz auf Spenden angewiesen.
TV-Prominente wie Birgit Schrowange und Katja Riemann werben dafür.
Schließlich haben in Olpe in den vergangenen Jahren 450 Familien ein zweites Zuhause und ein offenes Ohr gefunden. 157 Kinder sind gestorben. An sie erinnern Handabdrücke im Eingang und Windräder im
Garten: eines für jedes Jahr, die Namen der Kinder auf den Flügeln.

Windräder als Erinnerung für ein Leben
Auch Joels Name wird dort einmal stehen, doch dafür ist es noch zu früh. Für den Spongebob-Fan gibt es gerade Wichtigeres als den Tod:
die neue Frisur, die er am Morgen verpasst bekommen hat. Seine neuen Freunde in Olpe. Die "Rolli-Schaukel" im Garten, mit der viele gelähmte Kinder zum ersten Mal im Leben schaukelten. Den Snoezelen-Raum mit Wasserbett und bunten tanzenden Lichtern an der Decke. Joel mag auch die "weltbeste Tomatensuppe", die ihm die Köchinnen zubereiten. Noch mehr mag er den riesigen Flachbildfernseher über seinem Bett. Im Himmel jedenfalls will er auch ein Zimmer mit Fernseher, das steht für ihn fest. Doch wie
gesagt: Dort ist jetzt noch kein Platz für ihn frei.