Vor einem Jahr ließ der Papst die tridentinische Messe wieder zu

"Grabenkämpfe sind ausgeblieben"

Die Aufregung war groß. Als Papst Benedikt XVI. am 7. Juli 2007 die Feier von Gottesdiensten nach dem alten lateinischen Ritus als außerordentliche Form wieder breiter zuließ, gab es viel Zustimmung, aber auch viele Bedenken. In Köln sei der Ritus eine Randerscheinung, man hätte mit mehr Wirbel rechnen können, erläutert Dr. Alexander Saberschinsky, Liturgieexperte im Erzbistum Köln, im domradio Interview.

Autor/in:
Christoph Lennert und Caroline Schulke
 (DR)

In Köln hätte es schon immer einen ganz unideologischen Umgang mit der Alten Messe gegeben. In vier Gemeinden gäbe es kleinere Gruppen, so Saberschinsky.

Einige befürchteten Unruhen und Parteibildungen innerhalb von Kirchengemeinden, andere Probleme in der Ökumene und eine grundsätzliche Infragestellung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). Von jüdischer Seite wurde Kritik an der modifizierten Form der Karfreitagsliturgie gemäß des alten Ritus laut. Dem Papsterlass "Summorum pontificum" ging es aber laut vatikanischen Aussagen keineswegs um Spaltung, sondern um liturgischen Reichtum und Versöhnung: Die Traditionalisten sollten wieder enger an die Kirche geführt werden.

Der Erfolg dieser Versöhnungsgeste ist ein Jahr nach dem Schreiben fraglich. Das zeigen vor allem die jüngsten Entwicklungen zwischen dem Vatikan und der traditionalistischen "Priesterbruderschaft St.  Pius X." Die Gruppierung, die sich um den verstorbenen Erzbischof Marcel Lefebvre (1905-1991) bildete, wies eine Aufforderung des Vatikan zur theologischen und kirchenpolitischen Aussöhnung zurück. Rom müsse zunächst die Exkommunikation gegen die Gemeinschaft aufheben, um die Ernsthaftigkeit des Dialogs zu untermauern, hieß es in einer Mitteilung der Bruderschaft. Die ausgestreckte Hand scheint also nicht ergriffen; Hoffnungen auf Versöhnung sind gering.

Kaum konkrete Zahlen
Doch wie steht es um die Befürchtungen, die sich mit dem Papsterlass verbanden? Was sich geändert hat, seit das Schreiben Benedikt XVI.
am 14. September in Kraft trat, ist kaum konkret zu ermitteln.  Belastbare Zahlen, wie viele Katholiken ihr Begehren nach der Messfeier nach dem alten Ritus durchsetzten, gibt es kaum. Ob in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder Frankreich: Die Bischofskonferenzen verfügen nicht über landesweite Statistiken. Auch die US-Bischofskonferenz verweist für genauere Zahlen auf die einzelnen Bistümer.

Bleiben Schätzungen und Angaben traditionalistischer Gruppen. Für Frankreich meldete die Bewegung "Paix liturgique" Ende April, dass seit Inkrafttreten des römischen Motu proprio rund 40 zusätzliche Gottesdienste angeboten würden. Ihre Zahl sei damit von 132 auf mehr als 170 gestiegen. Zahlreiche weitere Anfragen harrten noch einer Antwort. Von kaum spürbaren Änderungen berichten die Bischofskonferenzen in Deutschlands Nachbarländern Österreich und Schweiz.

Kaum Nachfrage
Die Nachfrage halte sich in Grenzen, so der Leiter des Medienreferats der Österreichischen Bischofskonferenz, Paul Wuthe, auf Anfrage. Es gebe eine Handvoll mehr Gemeinden, in denen Gruppen nach dem alten Ritus feiern - insgesamt etwa 20. Auf eine ähnliche Zahl kommt der Informationsbeauftragte der Schweizer Bischofskonferenz, Walter Müller. In Deutschland fällt die Einschätzung der Kirche vergleichbar aus. Nach Angaben der Bischofskonferenz gibt es keine Anzeichen für einen gestiegenen Bedarf. Es handele sich eher um ein marginales Phänomen.

"Sicher gibt es am einen oder anderen Ort verschiedentlich Einzelpersonen oder kleine Gruppen, die auf die Wiedereinführung von Messen im tridentinischen Ritus drängen", sagte etwa der Rottenburg-Stuttgarter Bischof Gebhard Fürst im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Aber sie treten zahlenmäßig nicht so in Erscheinung, dass im Sinne des Motu proprio entsprechende Konsequenzen gezogen werden müssten." Konflikte in Gemeinden seien ihm nicht bekannt - und auch Druck von außen, vermehrt lateinische Gottesdienste im alten Ritus anzubieten, gebe es in seinem Bistum nicht.

Die Debatte geht weiter
Der Bonner Liturgiewissenschaftler Albert Gerhards dagegen sieht jene Bischöfe in der Schusslinie, die das Motu proprio restriktiv anwendeten - und nimmt eine "sich anbahnende Klimaveränderung" in den Gemeinden wahr: Reformen wie die Handkommunion würden zunehmend als Verflachung des eigentlich Katholischen dargestellt; Befürworter der Erneuerungen nach dem Konzil gerieten unter Generalverdacht.

In Frankreich, wo die Wiedereinführung der alten Messe auch unter den Bischöfen von Anfang an besonders umstritten war, zeigt ein Blick ins Internet die Problemzonen. Zahlreiche Foren geben Anhängern der alten Messe Raum. Immer wieder wird dort einzelnen Bischöfen vorgeworfen, "Dienst nach Vorschrift" zu leisten und den Wünschen der Gläubigen mit Bummelei, immer neuen Überprüfungen oder Schikanen zu begegnen.

In französischen Kirchenkreisen wird bestätigt, dass es in einigen Diözesen Reibungen gibt. Die Probleme würden in den Internetforen freilich noch vergrößert dargestellt. Tatsächlich tauchen häufig genug die gleichen Teilnehmer-Pseudonyme in den Foren auf. Trotzdem: Die Debatte über die korrekte Interpretation des päpstlichen Schreibens geht weiter - in Frankreich, aber auch in anderen Ländern.