Hermann Schalück verabschiedet sich als Präsident von missio - domradio-Interview

"Dialog und nicht Zwang"

Der Kampf gegen ein Klischee lässt Pater Hermann Schalück keine Ruhe: Immer noch dächten viel zu viele Menschen beim Wort Mission an einen weißen Mann, der in ferne Länder reist und den Menschen dort Taufe und Kirche aufdrängt. Doch dieses mit dem Kolonialismus verbundene und auf Unterwerfung fußende Verständnis habe mit Mission heute nichts mehr zu tun, betont der Präsident des Internationalen Katholischen Missionswerks missio in Aachen immer wieder. Nach mehr als zehn Jahren an der Spitze des katholischen Hilfswerks wird Schalück am Donnerstag, seinem 69. Geburtstag, in den Ruhestand verabschiedet.

 (DR)

Während seiner Amtszeit versuchte der Franzikanerpater stets, dem Begriff Mission einen anderen Inhalt und dem Hilfswerk missio ein erneuertes Profil zu geben. Danach vollzieht sich die Weitergabe des Glaubens eben nicht durch Zwang, sondern im gewaltfreien und versöhnlichen Dialog mit anderen Glaubenden, Religionen und Kulturen. Schließlich sei Mission «kein intoleranter Herrschaftsanspruch».

Vielmehr geht es nach Schalücks Worten darum, Jesus Christus als Gott des Lebens zu bezeugen, der sich gerade den Armen und am Rande Stehenden zuwendet, der Frieden und Gerechtigkeit will. Schalück: «Die große Vision des Christentums ist es, dass alle Menschen der Gesellschaft an einem Tisch versammelt sind.»

In diesem Sinne setzte sich missio in der Amtszeit von Schalück für die Armen und Benachteiligten ein, die für ihn kein abstrakter Begriff sind. Bei Reisen in über 100 Länder erlebte der missio-Präsident, der mehrere Fremdsprachen beherrscht, die Not unmittelbar. Zum Beispiel die Folgen von Aids. Seit einigen Jahren schickt das Hilfswerk einen «Aids-Truck» durch die Bundesrepublik, um über das Ausmaß der Krankheit und das Engagement der Kirche für die Infizierten zu informieren. In die Ägide von Schalück fällt auch die besonders im Rahmen von Fußballereignissen beliebte «Aktion Volltreffer» zugunsten ehemaliger Kindersoldaten in Afrika, Asien und Lateinamerika. Zu den Aufgaben gehören die seelsorgliche Betreuung traumatisierter Kinder sowie deren Reintegration in die Gesellschaft.

Auch den Kampf gegen die gesellschaftliche Ausgrenzung im Kastenwesen hat sich der missio-Präsident auf die Fahnen geschrieben.

Seinen Weitblick für die ungerechten Verhältnisse erwarb sich Schalück lange vor seiner missio-Zeit. Schon als Mitglied des Franziskanerordens, dem der aus St. Vit bei Rheda-Wiedenbrück stammende Geistliche 1959 beitrat, kam er weit in der Welt rum. Seit 1983 war er in verschiedenen Funktionen in der römischen Zentrale tätig - zuletzt leitete er als Generaloberer den Orden mit weltweit 19.000 Priestern und Brüdern in 90 Ländern.

Seine internationalen Erfahrungen haben in ihm vor allem eine Erkenntnis wachsen lassen: Für die Zukunft der Kirche misst er besonders kleinen christlichen Gemeinschaften einen großen Stellenwert bei. Gerade im Süden habe er immer wieder festgestellt, wie intensiv diese kleinen Gruppen den Glauben leben - oft auch ohne Priester. Angesichts der Tatsache, dass sich auch in Deutschland kirchliche Großstrukturen auflösen, könnte dies auch hierzulande ein Modell sein.

Fast kirchenkritisch hört sich eine andere Einsicht Schalücks an: Entschieden plädiert er für die Weihe bewährter verheirateter Männer zu Priestern, um gravierende pastorale Notstände zu beheben. Sein Argument: In vielen Gegenden der Welt werde den Katholiken wegen fehlender Priester die Eucharistiefeier als «Quelle und Höhepunkt» christlichen Lebens vorenthalten - nur weil ein menschliches Gesetz im Wege stehe.

Darauf will er auch weiterhin beharrlich hinweisen. Zugleich möchte er aber nach seinen kräftezehrenden Spitzenämtern einen Gang zurückschalten. Denn seine Gesundheit ist angeschlagen. Beim Hamburger Katholikentag im Jahr 2000 ereilte ihn ein Herzinfarkt. Es war bereits der zweite.