Bischof Fürst warnt vor Wiederkehr erbhygienischer NS-Ideologien

Irritierende richterliche Wortwahl

Vor einer Wiederkehr erbhygienischer Ideologien der NS-Zeit hat der Bischof der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, gewarnt. Solche Erwägungen "sollten nicht mehr zum Repertoire der deutschen Verfassungs- und Gesetzgebungsorgane gehören", forderte Fürst am Donnerstag in Stuttgart im Blick auf die kürzlich vom Bundesverfassungsgericht bestätigte Strafbarkeit des Geschwisterinzests.

 (DR)

Als alarmierend bezeichnete der Geistliche die Wortwahl der Mehrheit der Karlsruher Richter. Im Urteil werde auf «erbbiologische Bedenken» angesichts möglicher Behinderungen des Nachwuchses hingewiesen. Das Gericht sehe sich der «Vorsorge vor genetisch bedingten Krankheiten» verpflichtet, erläuterte Fürst. Er wolle keineswegs Inzestverbindungen das Wort reden, aber die Nähe zu Ideologien früherer Zeiten sei erschreckend, so der Bischof.

In einem Sondervotum hatte einzig der Vizepräsident des Gerichts, Winfried Hassemer, gegen die Entscheidung seiner Kollegen gestimmt. Ihm zufolge steht die Strafvorschrift zum Inzest «mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang». Die Berücksichtigung «eugenischer Gesichtspunkte» wegen des Risikos von Genschäden begründe verfassungsrechtlich ebenso wenig eine Strafnorm wie der Schutz von Ehe und Familie. «Es spricht viel dafür, dass die Vorschrift in der bestehenden Fassung lediglich Moralvorstellungen, nicht aber ein konkretes Rechtsgut im Auge hat», so Hassemer.