Politiker von CDU und SPD warnen vor Schließung des Bochumer Nokia-Werkes - Präses Buß im domradio-Interview

"Ein Stück wehren"

Spitzenpolitiker von CDU und SPD haben Widerstand gegen die vom finnischen Handyhersteller Nokia angekündigte Schließung des Bochumer Werkes angekündigt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) warnte Nokia vor einem Imageschaden, wenn die Pläne umgesetzt werden. SPD-Fraktionschef Peter Struck will prüfen lassen, ob der Staat an Nokia gezahlte Subventionen zurückfordern kann. Im domradio-Interview geißelt der Präses der evangelischen Kirche Westfalens, Alfred Buß, eine rein auf Gewinnmaximierung ausgerichtete Unternehmensphilosophie.

Autor/in:
Manfred Rey
 (DR)

Nokia hatte am Dienstag mitgeteilt, seine Handyproduktion in Deutschland einzustellen und den Standort Bochum bis Mitte 2008 zu schließen. Rund 2300 Beschäftigte sind betroffen, zudem sind bis zu 2000 Stellen bei Zulieferern und Leiharbeitern in Gefahr. Die Fertigung soll nach Rumänien und Ungarn verlagert werden.

Rüttgers kündigte unterdessen an, er wolle mit Nokia über eine Erhaltung des Standorts Bochum verhandeln. Der Betriebsrat habe ihm versichert, er sei bereit, Veränderungen mitzutragen, um in Bochum das gleiche Preisniveau wie in Ungarn zu erreichen. Nachdem Nokia die Subventionen "abgegriffen" habe, sei sofort die Schließung des Bochumer Werkes angekündigt worden. "Ich finde, wir müssen uns ein Stück wehren", betonte der Regierungschef.

Rüttgers fügte hinzu: "Nokia sollte bedenken, was das für Folgen - auch wirtschaftlich haben könnte." Die Menschen an Rhein und Ruhr hätten ein "gutes Gespür für Fairness und Gerechtigkeit". Er wolle gemeinsam mit den Mitarbeitern und den Gewerkschaften "Druck aufbauen", damit sich das Unternehmen seiner Verantwortung stelle.

Auch die SPD stemmt sich gegen die Schließung des Werkes. "Damit darf sich die Bundesregierung nicht abfinden", sagte Fraktionschef Struck. Das Vorgehen des Handyherstellers sei "unanständig". Struck will jetzt prüfen lassen, ob der Staat die Subventionen von Nokia zurück verlangen darf.

Der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Wend, sagte, das finnische Unternehmen müsse zu spüren bekommen, dass eine Werksschließung "in diesem Land nicht akzeptiert wird", und dass es "einen Zusammenhang gibt zwischen der sozialen Marktwirtschaft und der Absetzbarkeit von Produkten".

Die Aussage des finnischen Konzerns, der Standort Deutschland sei nicht mehr wettbewerbsfähig für die Herstellung von Handys, zog der SPD-Politiker in Zweifel: "Wenn dem so wäre, dann wäre nicht erklärlich, warum Nokia auch in der Handy-Sparte hierzulande Rekordgewinne erzielen kann." Es sei "zynisch, wenn Millionensubventionen kassiert und Jobs vernichtet" würden, sobald bestimmte Haltefristen abgelaufen seien.

Die FDP kritisierte dagegen Rüttgers wegen dessen Rüge für Nokia. "Solche Stimmungsmache hilft am wenigsten den Mitarbeitern von Nokia. Mit Kraftmeier-Kritik an freien Unternehmen rettet man keine Arbeitsplätze", sagte der wirtschaftspolitische Sprecher der FDP-Bundestagfraktion, Rainer Brüderle. Rüttgers sollte lieber die richtigen Konsequenzen ziehen und dafür sorgen, marktverzerrende Subventionen zukünftig soweit wie möglich zurückzufahren, sagte der FDP-Politiker.

Nach einem Bericht der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Donnerstagausgabe) laufen die Vorbereitungen für die Verlagerung des Bochumer Nokia-Werkes ins rumänische Cluj offenbar bereits seit 2006. Im vergangenen Jahr seien dafür 33 Millionen Euro an öffentlichen Subventionen geflossen, um die Infrastruktur für ein neues "Nokia Village" aufzubauen.

Christliche Gewerkschaft kritisiert Nokia-Pläne
Eine Änderung der Vergabe von Subventionen hat die Christliche Gewerkschaft Metall (CGM) als Konsequenz aus dem Fall Nokia gefordert. Länder und Bund sollten künftig Kapitalbeteiligungen an den Unternehmen in Höhe der gewährten Mittel erhalten, sagte der stellvertretende CGM-Bundesvorsitzende Detlef Lutz am Donnerstag in Duisburg. Damit würde ihnen ein Sitz im Aufsichtsrat zustehen. Somit entstünde die Möglichkeit, gemeinsam mit den Arbeitnehmern im Aufsichtsrat auf Beschlüsse zur Standortfrage einzuwirken.

Die bisherige Praxis, Förderung und Subvention gegen eine Bindungsfrist zu gewähren, sei nicht erst durch das Verhalten des Nokia-Konzerns umstritten, so Lutz. Im Fall Nokia habe es eine solche Frist bis 2006 gegeben. Von den gezahlten Millionen bleibe dem Land nach deren Ablauf "außer starken Worten nichts mehr übrig". In Zeiten der Globalisierung gebe es keine moralischen Bindungen der Konzerne mehr an Länder, Regionen und Bevölkerung, beklagte der christliche Gewerkschafter.

Die Kirchen in Bochum hatten am Mittwoch in einem gemeinsamen Schreiben den Betroffenen ihre Solidariät versichert und Nokia aufgefordert, die Entscheidung zu überdenken.