Neues Gentechnikgesetz verabschiedet

Gentechnikfrei?

Bald wird es ein neues Gentechnikgesetz geben. Darauf hat sich die große Koalition nach einem wochenlangen Tauziehen geeinigt. Im März soll das neue Gesetz in Kraft treten. Laut Presseberichten sollen die Regeln zum Anbau von genmodifizierten Produkten verschärft werden. Gleichzeitig aber soll die Forschung erleichtert werden. Auch die Kennzeichnungen auf Lebensmitteln sollen sich ändern.

 (DR)

Vertreter des Landwirtschaftsministeriums und der Regierungsfraktionen hätten sich am Sonntagabend auf einen Gesetzestext zu der Novelle verständigt, teilte Staatssekretär Gert Lindemann am Montag in Berlin mit. Mittwoch wird die Gesetzesvorlage in den Bundestagsausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eingebracht.

Kennzeichnung Vereinfachen
Der Gesetzentwurf sieht unter anderem einfachere Kriterien für die Kennzeichnung von tierischen Produkten vor als bisher. Deutschland hat bisher so strikte Anforderungen, dass die Verwendung kaum praktikabel ist. Viele Firmen wie Hipp oder Wiesenhof bieten trotz höheren finanziellen Aufwandes, Erzeugnisse ohne gentechnisch veränderte Futtermittel an. Sie können damit aber nicht werben.  

Es ist kaum auszuschließen, dass die Tiere mit Arzneien oder Vitaminen,
Enzymen und Zusätzen in Futtermitteln in Kontakt gekommen sind, die mit Gentechnik hergestellt wurden. Diese Mittel sind nicht kennzeichnungspflichtig und deshalb nicht leicht erkennbar. Matthias Wolfschmidt von Food-Watch begrüßt daher eine Lockerung der Gesetzgebung.

Gentechnik in Futtermitteln
In Europa würde ein Großteil der gentechnisch veränderten Pflanzen in die Futtermittelproduktion gehen. Für den Verbraucher wäre es daher wichtig, wenn das Fleisch von gentechnikfrei gefütterten Tieren auch so gekennzeichnet werden dürfe. Die Futtermittel werden im Freiland angebaut und haben einen viel größeren Effekt als gentechnisch veränderte Vitamine und Zusatzstoffe aus dem Labor.

Die Bezeichnung "ohne Gentechnik" dürfen Tierprodukte nach dem neuen Gesetz tragen, wenn zwei Kriterien erfüllt sind: Falls genetisch veränderte Futterzusatzmittel wie Aminosäuren und Vitamine gefüttert wurden, müssen diese in der EU-Öko-Verordnung zugelassen sein. Außerdem darf zu diesen Zusätzen keine gentechnik-freie Alternative auf dem Markt sein. Das seien die gleichen Regelungen, die auch für Bio-Bauern gelten, sagte Staatssekretär Lindemann. Die Bauern, die eine Etikettierung ihrer Produkte "ohne Gentechnik" wünschten, müssten anhand ihrer Bezüge nachweisen, welche Futtermittel sie einsetzen.

Agrarindustrie für strenge Regeln
Marcus Girnau, Geschäftsführer des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, der als Gen-Industrie-nah gilt, lehnt diese Lockerung vehement ab: Wenn Lebensmittel mit der Bezeichnung "ohne Gentechnik" selbst nur "mit ein bisschen Gentechnik", hergestellt seien, werde die "Glaubwürdigkeit der Lebensmittelwirtschaft beschädigt", warnt er.

Für die Gen-Industrie geht es um viel Geld. Jedes Jahr importiert die Bundesrepublik Futtermittel in Höhe von rund fünf Milliarden Euro. Laut Toepfer International, einer internationalen Agrarhandelsgesellschaft, werden rund 90 bis 95 Prozent davon als gentechnisch verändert gekennzeichnet. Viele deutsche Lebensmittel gälten daher künftig als mit Gentechnik hergestellt. Da laut verschiedener Umfragen rund drei Viertel aller Deutschen genveränderte Lebensmittel grundsätzlich ablehnen, könnte dies empfindliche Umsatzverluste für die Gen-Industrie bedeuten.

Haftungsreglung unzureichend
Kritisch sieht Food-Watch nach wie vor die Haftungsregelungen im Gesetz. Die Koalition habe es versäumt ein klares Verursacherprinzip zu verankern. Das sei aber Vorraussetzung für die Koexistenz von gentechnisch angebauten Pflanzen und gentechnikfreiem Anbau. Würde das Verursacherprinzip konsequent angewendet, müsste derjenige, der gentechnisch verändertes Saatgut ausbringt, haften, wenn das Feld des Nachbarn mit gentechnisch veränderten Pflanzen verunreinigt wird.

An dieser Frage würde sich nach Aussage von Wolfschmidt entscheiden, ob man auch in zehn oder zwanzig Jahren noch die Wahl hat, Gentechnik zu unterstützen oder gentechnisch veränderte Produkte zu meiden.

Grüne kritisieren Abstandsregeln
Auch die Grünen sehen die Wahlfreihei auf Dauer gefährdet. Grünen-Chef Reinhard Bütikofer wandte sich am Montag in Berlin insbesondere gegen die geplanten Abstandsregeln. Danach müssen Landwirte, die genetisch veränderte Pflanzen ausbringen, einen Mindestabstand von 150 Metern zu konventionellen und von 300 Metern zu ökologischen Anbauflächen einhalten. Bütikofer betonte, er glaube nicht, dass Gen-Pollen nicht weiter als 150 Meter fliegen. Deshalb seien diese Regelungen nicht ausreichend.