Wachsende Kritik an Koch - BDKJ mahnt im domradio "humane Gesellschaft" an

Keine kleinen Erwachsenen

Die Kritik an Roland Kochs Vorschlag, das Jugendstrafrecht auch auf unter 14-Jährige anzuwenden, wächst weiter. Gemeinsam sprachen sich nun mehr als 600 Richter, Staatsanwälte und Kriminologen gegen die Idee aus. Im domradio betonte die Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Andrea Hoffmeier, den Wert von Kindheit und Jugend für eine "humane Gesellschaft".

 (DR)

Die Union führe auf Kosten der Jugendlichen im Land einen "populistischen Wahlkampf", so Hoffmeier. Den Wählern solle dabei "Sand in die Augen gestreut" werden.

"Es gibt kein einfaches Rezept, mit dem Jugendkriminalität beseitigt werden kann. Die Volljährigkeit liegt nicht umsonst bei 18 Jahren, und die beschränkte Haftungsfähigkeit bei 14 Jahren." Kinder und Jugendliche seien keine kleinen Erwachsenen, sie befänden sich noch in der Entwicklung. "Es zeichnet eine humane Gesellschaft aus, dass sie Kinder und Jugendliche anders behandelt als Erwachsene."

Kritik vom Kinderschutzbundpräsident
Unions-Bundestagsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagte am Montag, wenn Eltern ihre Kinder zu Straftaten anstifteten, müsse gegen sie als Erziehungsberichtigte vorgegangen werden. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz und der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Konrad Freiberg, wiesen den Koch-Vorstoß zurück. Zustimmung kam dagegen von Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) und der Jungen Union, die eine Haftung für brutale Zwölfjährige forderte.

Der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, Christian Pfeiffer, warnte: "Je jünger Menschen hinter Gitter kommen, umso höher ist ihre Rückfallquote." Kriminelle Kinder sollten viel häufiger in Pflegefamilien untergebracht werden als bislang. Dort bekämen sie die nötige individuelle Zuwendung. Man müsse die Pflegeeltern allerdings darauf sorgfältig vorbereiten, sie beraten und gut bezahlen. Dies sei vielversprechender als ein Erziehungslager, das etwa das Dreifache koste und wo der Jugendliche ständig mit straffälligen Gleichaltrigen zusammen sei. Auch geschlossene Heime seien zur vorübergehenden Unterbringung nötig.

Für einen solchen Schritt sprach sich auch Kinderschutzbundpräsident Heinz Hilgers aus. Er warnte davor, Kinder für ihr ganzes Leben zu stigmatisieren und kritisierte, dass es in Hessen bislang kein Erziehungsheim gebe. "Herr Koch macht zwar große Sprüche - aber seine Problemfälle exportiert er nach Bayern, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz", sagte er.

Mißfelder: Wir haben viele frühreife Jugendliche
Sachsens Justizminister Geert Mackenroth (CDU) nahm Koch gegen den Vorwurf des Populismus in Schutz. Koch reagiere auf das Phänomen der sogenannten Kinderbanden. Dabei nutzten kriminelle Vereinigungen Kinder unter 14 Jahren aus, um Gewalttaten, Laden- und Taschendiebstähle zu verüben. Ob ein Ausweiten des Jugendstrafrechts auf unter 14-Jährige auch für Sachsen angewandt werden solle, müsse er aber noch mit der Polizei und dem Innenminister bereden.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Klaus Jansen, sagte: "Das Thema Strafmündigkeit darf keine heilige Kuh sein." Der Chef der Jungen Union, Philipp Mißfelder (CDU), sagte: "Wir haben viele frühreife Jugendliche, die mit 12 oder 13 Jahren zu brutalen Straftaten in der Lage sind. Sie müssen dafür haftbar gemacht werden."

Richter, Staatsanwälte und Kriminologen gegen Koch
Mehr als 600 Richter, Staatsanwälte und Kriminologen hatten sich zuvor gegen eine Verschärfung des Jugendstrafrechts gewandt. Härtere Strafen würden die Rückfallquote junger Straftäter erhöhen, heißt es dem "Spiegel" zufolge in einer Stellungnahme der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte und Jugendgerichtshilfen. Ursache der Jugendkriminalität seien häufig soziale Probleme, die nicht mit den Mitteln des Strafrechts beseitigt werden könnten.

Gegen eine überstürzte Verschärfung von Strafen für jugendliche Gewalttäter sprachen sich auch evangelischen Bischöfe aus. Der württembergische Bischof Frank Otfried July wandte sich gegen "wohlfeilen Populismus". Der badische Landesbischof Ulrich Fischer warnte gegenüber epd vor "hysterischer Strafverschärfung". Beide Bischöfe forderten, Gewalttaten schnell und entschieden zu bekämpfen.