Elternvertreter fordern Abschaffung der Kopfnoten

"Verhaltensbewertung ist keine Förderung"

Gegen die neuen Kopfnoten für Schüler in Nordrhein-Westfalen hat sich ein Bündnis aus Schülern, Elternvertretern, Gewerkschaften und Landtags-Opposition formiert. Der NRW-Landesverband der Katholischen Elternschaft Deutschlands (KED) argumentierte, die Vergabe von Kopfnoten sei "pädagogisch unangemessen". Angepasstes Verhalten sei doch eher ein Warnsignal, so Dr. Barbara Balbach, Vorsitzende des NRW-Landesverbandes der KED im domradio-Interview.

 (DR)

"In der Schule sollte nur das überprüft werden, was dort auch gelernt wird", forderte Grünen-Fraktionschefin Sylvia Löhrmann. Eine Bewertung der Persönlichkeit des Schülers durch die Lehrer sei unangemessen. Die Grünen hatten Vertreter von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sowie die Schüler- und Elternvertreter zu einer Diskussion zum Thema eingeladen.

Die Koalition verteidigte die Einführung der Kopfnoten. Die Bewertungen "bieten den Schülern die Möglichkeit, sowohl ihre Sozialkompetenz als auch ihr Arbeitsverhalten zu verbessern", sagte die FDP-Bildungsexpertin Ingrid Pieper-von Heiden. Zudem könnten Schüler auf diese Weise lernen, "die Wirkung des eigenen Verhaltens auf die sie umgebende Umwelt besser einzuschätzen".

"Ein ungeeignetes Instrument"
Die Bewertung des Verhaltens in sechs Kategorien mit vier verschiedenen Noten sei pädagogisch unangemessen, hatte der NRW-Landesverband der KED in einem in Münster veröffentlichten Brief an NRW-Schulministerin Barbara Sommer (CDU) geschrieben. "Auch auf dem Hintergrund des von uns vertretenen Menschenbildes und des Fördergedankens halten wir die Ziffern-Benotung für ein ungeeignetes Instrument", erklärte der Interessenverband.

Auch bisher schon seien etwa Arbeits- und Sozialverhalten in die Fachnoten mit eingeflossen, hatte die CDU-Politikerin zuvor in einem WDR-Interview gesagt. "Schüler, die sonst sehr schwach sind, werden dankbar über die Chance der Kopfnoten sein. Hier spiegelt sich ihr Einsatz, Fleiß und ihre Teambereitschaft wieder, den sonst niemand bemerken würde", so Sommer. Soziale und persönliche Kompetenz würden immer wichtiger.

"Aber was würde denn überhaupt eine eins in Arbeits- und Sozialverhalten bedeuten? Dass das Kind in diesem Punkt nichts mehr dazu lernen muss?" argumentiert dagegen Dr. Barbara Balbach. Zudem gebe es altersabhängige Unterschiede im Sozialverhalten von Kindern. "In der Pubertät wird es zum Beispiel starke Schwankungen geben. Angepasstes Verhalten wäre dann doch eher ein Warnsignal", betont Balbach.

Eltern verärgert über Unterrichtausfall
Der Elternverband beklagte zudem, dass die Vergabe von Kopfnoten zu Lasten des Unterrichts gehe. Dass für diese Bewertungen Unterrichtstage in Anspruch genommen werden sollen, habe zu einer "handfesten Verärgerung auf Elternseite" geführt. Den Eltern sei es nicht zu vermitteln, dass pädagogisch sinnvolle Maßnahmen wie Elternsprechtage außerhalb der Unterrichtszeit stattfinden sollten, während zwei Unterrichtstage "einer höchst fragwürdigen pädagogisch-administrativen Maßnahme" geopfert würden.

"Es gibt bessere Alternativen"
"Wir als Eltern wollen starke, verantwortungsvolle und freundliche Menschen aus unseren Kindern machen. Selbstverständlich wünschen wir uns, dass die Schule uns dabei unterstützt." Die Vergabe von Kopfnoten sei jedoch nicht der richtige Weg. Es gebe wesentlich bessere Alternativen. Die Bewertung eines Verhaltens sei noch längst keine Förderung. "Egal wie viel Mühe sich ein Lehrer bei der Vergabe gibt - es wird immer nur ein unvollständiges Bild des Kindes gezeichnet werden. Und man muss bedenken, dass das den Weg für ein Kind vorzeichnet."

Mit der ersten Diskussion um die Einführung von Kopfnoten, seien an vielen Schulen bereits Alternativen erarbeitet worden. Diese seien auch schon "mit großem Erfolg" durchgeführt worden. "Da gibt es zum Beispiel die Möglichkeit, dass Kinder aufschreiben, wie sie sich selbst sehen. Mitschüler und Lehrer geben ebenfalls ihr Urteil dazu ab. Die Kinder formulieren ihre Lernziele selbst", erläutert Balbach. Wichtig sei dabei eine intensive Kommunikation. "Das gehört zur Pädagogik ganz wesentlich dazu." Durch Kopfnoten sei dies "nicht hinreichend gegeben", so Balbach. In der Zeit, in der in den Schulen ein Unterrichtstag gebraucht werde, um etwa 6000 Kopfnoten zu verteilen, könne wesentlich Besseres geleistet werden.

Auf den Halbjahreszeugnissen müssen die Kopfnoten am Ende dieser Woche erstmals vergeben werden. Am 19. Januar findet deshalb in Düsseldorf eine Demonstration gegen die neuen Noten statt. Veranstalter ist die Landesschülervertretung NRW.