US-Forscher wollen Durchbruch bei Stammzellen erzielt haben

Lösung der gesamten ethischen Debatte?

US-Wissenschaftler haben nach eigener Darstellung einen Durchbruch in der Stammzellforschung erzielt. Es sei ihnen gelungen, einem Embryo eine einzelne Stammzelle zu entnehmen, ohne den Embryo selbst zu zerstören, berichteten die Wissenschaftler der US-Biotechnologie-Firmen Advanced Cell Technology (ACT) und StemLifeLine in der Fachzeitschrift "Cell Stem Cell". Der Embryo entwickelte sich den Angaben zufolge normal weiter. Bislang wurden Embryonen bei der Gewinnung der Stammzellen zerstört.

 (DR)

Beobachter mahnen allerdings zur Vorsicht: Bereits im August 2006 hatte der beteiligte Biologe Robert Lanza im Fachmagazin «Nature» berichtet, es sei ihm gelungen, embryonale Stammzellen ohne den Tod des Embryos zu gewinnen. Später stellte sich jedoch heraus, dass bei den Experimenten eine Vielzahl von Embryonen zerstört worden waren und Lanza seine Ergebnisse zwar nicht gefälscht, aber missverständlich und überzogen dargestellt hatte.

Den Angaben der Zeitschrift "Cell Stem Cell" zufolge haben die US-Wissenschaftler ihre Methode inzwischen verbessert. Eine positive Bewertung kommt vom Kölner Stammzellforscher Jürgen
Hescheler: An der Arbeit Lanzas und seiner Kollegen sei fachlich und methodisch nichts auszusetzen, sagte er "Spiegel online". "Sollte sich die Methode als reproduzierbar und praktikabel erweisen, könnte das in der Tat die Lösung der gesamten ethischen Debatte sein."

"Vorsicht bei Erfolgsmeldung"
Der Bundesverband Lebensrecht (BVL) warnte vor einer unkritischen Übernahme der neuen Erfolgsmeldungen. Da die Embryonen nach der Entnahme der Stammzellen eingefroren worden seien, könne noch gar nicht nachgewiesen werden, ob sie die Prozedur sicher überlebt hätten, betonte BVL-Vorsitzende Claudia Kaminski am Freitag in Köln. Sie verwies zugleich darauf, dass die Stammzellen möglicherweise in einem Stadium entnommen worden seien, in denen sie sich noch zu ganzen Embryonen entwickeln hätten können. Solche Zellen seien im deutschen Embryonenschutzgesetz den Embryos gleichgestellt und besäßen damit den gleichen Schutzanspruch.

Auch der Europaabgeordnete und Bioethik-Experte Peter Liese (CDU) nannte den angeblichen Durchbruch problematisch. Wie Kaminski sagte er, es sei "abstrus", die Zellentnahme aus dem Embryo als ethisch unbedenklich zu bezeichnen. Im Sinne des deutschen Embryonenschutzgesetzes handele es sich damit um das Klonen eines genetisch identischen Zwillings. Die Firma ACT ist nach den Worten von Liese unseriös. Sie sei schon mehrfach durch unsolide Veröffentlichungen aufgefallen und interessiere sich "nicht für das Wohl der Patienten, sondern hauptsächlich für den Aktienkurs".

Der CDU-Bioethik-Experte Hubert Hüppe sprach von einem "Marketing-Gag". Auch er betonte, dass ein "Embryosplitting" in Deutschland verboten sei, da es sich um ein Klonverfahren handele. Zudem wies er darauf hin, dass nicht nur - wie angegeben - zwei der Autoren Verbindungen zur Firma "StemLifeLine" hätten, sondern noch drei weitere. Dabei handele es sich um die Vorstandsvorsitzende und zwei Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats der Firma.

"Methode verbessert"
Embryonale Stammzellen können sich zu jeder beliebigen Zellform des menschlichen Körpers entwickeln und sollen eines Tages Schäden an menschlichem Gewebe und Organen beheben helfen. Die Stammzellforschung ist jedoch wegen des damit einhergehenden Tötens von Embryonen ethisch hoch umstritten. Vor kurzem war zwei Teams von Wissenschaftlern die Herstellung von Stammzellen durch die Reprogrammierung von Hautzellen gelungen.