Umfrage: Mehrheit für härtere Jugendstrafen

Thema ja, Wahlkampf nein danke

In der Debatte um steigende Jugendgewalt lehnt der Deutsche Richterbund eine Verschärfung des Strafrechts ab. Die meisten Deutschen sehen das anders: Laut aktueller Umfrage fordert jeder Zweite härtere Strafen und bessere Vorbeugung. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Union dennoch falsch zu liegen scheint, das Thema zu Wahlkampfzwecken zu nutzen.

 (DR)

Laut "ARD-Deutschlandtrend" sind 51 Prozent der von Infratest dimap befragten 1.000 Bundesbürger der Meinung, dass die Union eine Verschärfung des Jugendstrafrechts nur aus Wahlkampfzwecken fordert, teilte die ARD am Donnerstag in Köln mit.

Bei der repräsentativen Umfrage hing die Forderung nach härteren Strafen von der Richtung der Frage ab. Bei der Abwägung, härtere Strafen einzuführen oder bei den bestehenden Gesetzen zu bleiben, entschieden sich 54 Prozent der Befragten für härtere Strafen. 41 Prozent meinten, dass die bestehenden Gesetze ausreichen. Anders war das Meinungsbild, als die telefonisch Befragten zwischen härteren Strafen und besserer Vorbeugung zu entscheiden hatten. Hier hielten 61 Prozent vorbeugende Maßnahmen für den besseren Weg. Nur 25 Prozent setzen in diesem Fall auf härtere Strafen.

Bei gefährlicher Körperverletzung drohen Deutschlands Jugendlichen bis zu 10 Jahren Haft, bei schwerer Körperverletzung bis 15 Jahre.

Richter: Keinen Automatismus
In der Debatte um steigende Jugendgewalt lehnt der Deutsche Richterbund eine Verschärfung des Strafrechts ab. Es gebe keinen Automatismus, wonach härtere Strafen zu mehr Abschreckung und weniger Kriminalität führten, sagte Richterbund-Vorsitzender Christoph Frank. Es gebe keinen Automatismus, wonach härtere Strafen zu mehr Abschreckung und weniger Kriminalität führten, sagte Richterbund-Vorsitzender Christoph Frank.

Derweil fordert Hessens Justizminister Jürgen Banzer (CDU) härtere Schritte gegen die Jugendgewalt, wie die Auflösung von Jugendcliquen und ein Handy-Verbot für Straftäter. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach sich für die Schaffung einer "Intensivtäterdatei" in allen Bundesländern aus. Die Unions-Innenminister wollen an diesem Freitag in Wiesbaden Pläne zur Verschärfung des Jugendstrafrechts vorstellen.

Türkische Gemeinde schreibt an Bundespräsident Horst Köhler
Hessens Richter haben unterdessen Vorwürfe von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) zurückgewiesen, sie erledigten ihre Arbeit ungenügend. Wer seine Justiz plündere, dürfe sich nicht über die Folgen wundern, sagte der Vorsitzende des Hessischen Richterbundes, Ingolf Tiefmann. 2003 seien 120 Richter- und Staatsanwaltsstellen gestrichen worden; 2005 habe das Justizministerium vorgerechnet, dass 130,5 Stellen fehlten. Dennoch habe das Ministerium keine hilfreichen Konsequenzen gezogen.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland hat Bundespräsident Horst Köhler in einem Brief um ein Eingreifen in die Debatte gebeten. "Kaum sind Wahlen in Sicht, versuchen manche Politiker, eigene Versäumnisse auf die Schwächsten dieser Gesellschaft abzuwälzen", schrieb der Gemeindevorsitzende Kenan Kolat an das Staatsoberhaupt. Seine Landsleute hätten wie in den 90er Jahren Angst vor Anschlägen und Übergriffen.

Zugleich verschärfte Kolat seine Kritik am Wahlkampf Kochs. Der Zentralrat der Juden habe recht, das "Niveau des Wahlkampfes von Herrn Koch ist von Kampagnen der NPD kaum noch zu unterscheiden", sagte Kolat. Der Ministerpräsident schüre in unverantwortlicher Weise Rassismus.

Weißer Ring: Migrantenverbände verharmlosen
Dagegen erhielt Koch Unterstützung vom Vorsitzenden des "Rats der Türkischen Staatsbürger in Deutschland", Yasar Bilgin. Koch habe als Regierungschef "die Pflicht" darauf hinzuweisen, dass unter den jugendlichen Straftätern in Deutschland der Anteil von Ausländern überproportional hoch sei, erklärte Bilgin, der dem hessischen CDU-Landesvorstand angehört.

Die Opferschutzorganisation Weißer Ring warf Migrantenverbänden derweil vor, das Problem krimineller Ausländer zu verharmlosen. Vereinsvorstand Hans-Dieter Schwind sagte: "Die aktuellen Probleme sind nur die Spitze des Eisbergs. Wenn darauf nicht präventiv wie repressiv reagiert wird, fliegt uns das in den nächsten Jahrzehnten um die Ohren." Der ehemalige niedersächsische CDU-Justizminister forderte zugleich eine Staatsbürgerschaft auf Probe, um kriminelle Deutsche mit Migrationshintergrund leichter ausweisen zu können.