Politiker fordern mehr Sicherheit

Härtere Strafen schrecken nicht ab

Vor Weihnachten haben zwei Jugendliche in München einen 76 Jahre alten Rentner in der Münchner U-Bahn mit Schlägen und Tritten so traktiert, dass er einen mehrfachen Schädelbruch erlitt. Der 76-Jährige hatte die beiden Verdächtigen in der U-Bahn gebeten, ihre Zigaretten auszumachen. Daraufhin hatten sie ihn nach dem Aussteigen verfolgt und angegriffen.
Die Tat hat in Deutschland eine Diskussion um den Umgang mit jugendlichen Intensivtätern ausgelöst. Die besonders in Hessen zu Wahlkampfzwecken missbraucht wurde.

 (DR)

Der Chef der Jungen Union (JU), Philipp Mißfelder, sprach sich für mehr Sicherheit in S- und U-Bahnen aus: "Auf gefährdeten Strecken in Großstädten und besonders nachts muss jede S- und U-Bahn von bewaffnetem Sicherheitspersonal begleitet werden." CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer begrüßte die so sogenannten Erziehungscamps für kriminell gewordene Jugendliche. Die jetzt bekannt gewordenen Straftaten von Jugendlichen könnten nicht wirksam alleine durch bislang eingesetzte Mittel des Jugendstrafrechts bekämpft werden und so müsse man über andere Maßnahmen nachdenken, und dazu gehörten auch Erziehungscamps, sagte Haderthauer. "Wir müssen uns darüber klar sein, dass diese Rohheit und Brutalität der Angriffe keinesfalls mit den bisherigen Mitteln in den Griff zu bekommen sind", fügte sie hinzu.

Der Vorsitzende des Richterbundes, Christoph Frank, sagte: "Die Diskussion gaukelt den Menschen Zusammenhänge vor, die es nicht gibt. Die Formel härtere Strafen gleich höhere Abschreckung gleich weniger Straftaten ist schlicht falsch." Die Politik erliege hier erneut der Versuchung, Fragen des Strafrechts für plakative Botschaften zu missbrauchen, kritisierte Oberstaatsanwalt Frank.

Als "reinen Populismus" bezeichnete der Deutsche Anwaltsverein (DAV) Forderungen, das Jugendstrafrecht zu verschärfen. Die Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familienrecht im DAV, Ingeborg Rakete-Dombek, sagte, "solche Patentrezepte ganz kurz vor Wahlen zu äußern", fördere die Glaubwürdigkeit von Politik nicht gerade.

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sprach sich gegen Veränderungen im Jugendstrafrecht aus. "Unser rechtliches Instrumentarium ist völlig ausreichend", sagte Wiefelspütz. Es handele sich um eine "Scheindebatte, die nach den Landtagswahlen schnell wieder beendet sein wird". Mit der SPD werde es keine Verschärfung des Jugendstrafrechts geben, fügte Wiefelspütz hinzu.

Die Opposition unterstützt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die eine sachliche Debatte über Jugendgewalt angemahnt hatte. "Man muss die Besorgnis der Bevölkerung ernst nehmen. Deswegen ist eine Debatte über sinnvolle Maßnahmen richtig", sagte der FDP-Innenpolitiker Max Stadler. Der Grünen-Politiker Volker Beck unterstrich, dass sich Merkel über ihren Sprecher gegen schnelle Antworten ausgesprochen hat. "Ich interpretierte die Äußerungen des Regierungssprechers als Signal an die Scharfschützen in der Union, insbesondere an den hessischen Ministerpräsidenten, das Thema runterzukochen und Sachlichkeit walten zu lassen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion.

Rasche Konsequenzen aus den jüngsten brutalen Überfällen in München forderte dagegen der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg: "Wir brauchen auch eine Stärkung des Jugendschutzes, eine Förderung der Gewaltprävention und eine konsequente Strafverfolgung von jugendlichen Gewalttätern", sagte Landsberg. Die Ereignisse in München zeigten einmal mehr, dass es Defizite im Jugendschutz, bei der Integration jugendlicher Ausländer und in der Anwendung des Strafrechts gebe.