Krankenkassen und Gesundheitsexperten erwarten Beitragssatz von 15 Prozent

Teurer Gesundheitsfonds

Für die Krankenkassen gäbe es 2008 keinen Grund zu sparen, das bemängelt eine neue Studie. Im November wird der Beitragssatz für den Gesundheitsfond festgelegt - und der bemisst sich, unter anderem, an den Kosten der Krankenkassen im laufenden Jahr. Vorstände mehrerer Krankenkassen gehen davon aus, dass der Beitragssatz auf bis zu 15,5 Prozent steigen wird. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), fordert den Verzicht auf den Gesundheitsfonds.

 (DR)

Der Vorsitzende des Parlamentskreises Mittelstand, Michael Fuchs (CDU), warnte die Bundesregierung vor einer Anhebung der Krankenkassenbeiträge. Der Satz müsse auf dem "heutigen Niveau bleiben", sagte Fuchs. Das sei nötig, um einen Anstieg der Lohnnebenkosten zu verhindern.

Das Gesundheitsministerium wies "Mutmaßungen" über höhere Beiträge ab 2009 als "unseriös" zurück. Der Beitragssatz werde bis 1. November festgelegt, erläuterte eine Sprecherin. Einziges Kriterium seien die Ausgaben der Krankenkassen. Das Ministerium appelliere daher an die Kassen, die Instrumente, die ihnen für wirtschaftliches Arbeiten zur Verfügung stünden, zu nutzen.

Gesundheitsfond: Kein Anreiz zum Sparen
Eine am Montag veröffentlichte Studie des Münchner Instituts für Gesundheitsökonomik (IfG) für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hat für Wirbel gesorgt. Das IfG rechnet ab 1. Januar 2009 mit einem allgemeinen Beitragssatz von 15,5 Prozent. Das wäre ein Anstieg um 0,7 Prozentpunkte gegenüber dem derzeit geltenden durchschnittlichen Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Laut Studie wären von der Anhebung insgesamt rund 44 Millionen GKV-Mitglieder betroffen. Sie müssten mit zusätzlichen Beitragszahlungen von bis zu 700 Euro im Jahr rechnen.

IfG-Direktor Günter Neubauer begründete die Prognose seines Instituts in der "Bild"-Zeitung mit seiner Ansicht nach falschen Anreizen durch den Gesundheitsfonds. Die Kassen hätten ein Interesse daran, ihre Ausgaben 2008 nach oben zu treiben. Je größer die Ausgaben in diesem Jahr seien, umso höher sei der Beitragssatz 2009, sagte Neubauer.

Krankenkasssen bestätigen Studie
"Ich halte einen bundesweit einheitlichen Beitragssatz von 15,5 Prozent für das Jahr 2009 für durchaus plausibel", sagte der Vorstandsvorsitzende der Barmer Ersatzkasse, Johannes Vöcking. Allein aus der Reform der ärztlichen Honorare werde sich eine Mehrbelastung von 0,25 Beitragspunkten ergeben.

Auch der Chef der Techniker Krankenkasse, Norbert Klusen, geht davon aus, dass der Einheits-Kassenbeitrag 2009 zum Start des Gesundheitsfonds mindestens bei 15 Prozent liegen wird. "Die meisten Mitglieder werden mehr bezahlen müssen. Nur wenige, die heute bei sehr teuren Krankenkassen sind, werden entlastet", sagte Klusen mit Blick auf den aktuellen Durchschnittssatz von 14,8 Prozent.

Der Gesundheitsfonds und die Einführung des manipulationsanfälligen, morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs seien echte Kostentreiber. "Die Umverteilung zwischen den Kassen wird ausgeweitet. Darunter leiden Anreize, wirtschaftlich zu haushalten", sagte Klusen.

Beitragerhöhungen kosten Arbeitsplätze
DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun betonte die Sorge der deutschen Wirtschaft. "Der Fonds ist und bleibt ein Fehlkonstrukt. Die jetzt schon sicheren Beitragserhöhungen machen Arbeit teurer und vernichten Arbeitsplätze. Stattdessen sollten echte, einkommensunabhängige Prämien kommen, die die Kosten der Krankenversicherung vom Arbeitsverhältnis abkoppeln."

Auch das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet wegen des Gesundheitsfonds mit steigenden Beitragssätzen und damit zusätzlichen Kosten für die Unternehmen. Nach Schätzungen des IW-Arbeitsmarktexperten Holger Schäfer wären bei einem Anstieg des Beitragssatzes auf 15,5 Prozent ab 2009 "mehrere Zehntausend Jobs" in Gefahr.

Politik warnt Krankenkassen vor Tricksereien
Der CDU-Gesundheitsexperte Wolfgang Zöller hat die Kassen vor dem Start des Gesundheitsfonds zu besonderer Ausgabendisziplin aufgefordert. Es kursierten völlig unerklärliche Berechnungen von Kassen für die Beitragssätze in 2009. "Entweder haben da viele Leute bewusst falsch gerechnet, um zu verunsichern, oder es zeigt sich erneut, dass den Kassen die richtigen Berechnungsgrundlagen fehlen", beklagte Zöller.

2008 seien die Aufsichtsgremien und die Vertreterversammlungen der gesetzlichen Krankenkassen ganz besonders gefordert, den Kassen haargenau auf die Finger zu schauen. "Der Verdacht ist groß, dass manche Kassen ihre Beiträge stärker als notwendig anheben wollen, um beim Start des Gesundheitsfonds Rücklagen zu haben", mahnte Zöller in der "Leipziger Volkszeitung". Den Mitgliedern könnte dann 2009 ein Bonus gezahlt werden.

Voraussetzung für den Start des Gesundheitsfonds zum Januar 2009 sei, dass "die Bundesregierung mit ihren Hausaufgaben bis Sommer fertig" werde. Sonst könnten die Kassen ihre Beitragsbedingungen nicht rechtzeitig den Mitgliedern mitteilen. Dabei gehe es zum Beispiel um die Auswirkungen des Risikostrukturausgleichs und der neuen Honorarvereinbarungen für die Ärzte.