Katalog gegen Jugendgewalt wird erweitert - Zuwanderer beklagen sich über Kochs Wahlkampf

Unions-Länder legen nach

In der Debatte um schärfere Strafen für gewalttätige Jugendliche und kriminelle Ausländer legen die Unions-Länder nach. Der von seinem Bundesland vorgelegte Katalog werde noch ergänzt, kündigte der hessische Innenminister Volker Bouffier (CDU) vor Beginn eines Treffens mit seinen Unions-Amtskollegen. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) will die von ihm geforderte Verschärfung zum Thema im Bundestagswahlkampf machen, wenn die SPD nicht einlenkt.

 (DR)

Laut Bouffier sind sich die Unions-Innenminister einig, dass die Videoüberwachung in U- und S-Bahnen, Bussen oder an Bahnhöfen deutlich ausgebaut werden soll. Das gelte ebenso für das Wachpersonal im Nahverkehr. Wenn die Verkehrsbetriebe eine ausreichende Zahl von Bus- oder Bahn-Schützern allein nicht finanzieren könnten, "ließe sich auch ein kleiner Sicherheits-Zuschlag von den Fahrgästen erheben", erläuterte der Koordinator der Unions-Innenressorts.

Nach Aussage von Bouffier wollen die Unions-Ressortchefs zudem darauf dringen, dass junge Kriminelle künftig in der Regel in Schnellverfahren abgeurteilt werden. Hinzu kommen müsse, dass Bewährungsstrafen von den Gerichten anders als heute regelmäßig mit "spürbaren Konsequenzen" wie Sozialarbeit oder der Teilnahme an Präventionsprojekten verbunden würden.

Ministerpräsident Koch wies derweil Kritik an seiner Forderung nach einem härteren Vorgehen gegen junge kriminelle Ausländer trotz des Beifalls der rechtsextremen NPD zurück. Auch zu Wahlkampfzeiten müssten Debatten mit Klarheit geführt werden. Er werde nicht deshalb über dieses Kriminalitätsproblem schweigen, weil auch die NPD darüber spreche.

Zugleich forderte Koch, auch schwerkriminelle Jugendliche aus EU-Ländern abzuschieben. Das sei bei schweren unzumutbaren Verstößen gegen die öffentliche Ordnung laut EU-Recht möglich.

Zugleich warf der CDU-Politiker dem früheren Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) vor, zum Anstieg der Jugendgewalt in Deutschland beigetragen zu haben. Schröder habe vor zehn Jahren sehr viel schärfere Worte für ausländische Straftäter gefunden als er, sagte Koch. "Nur anschließend haben er als Bundeskanzler und die SPD nichts getan, die notwendigen Verschärfungen verweigert und damit hingenommen, dass das Problem der Jugendgewalt immer dramatischer geworden ist."

Unterdessen wird bei den Christdemokraten erste Kritik an der Wahlkampagne Kochs laut. Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in der CDU, Bülent Arslan, wies unter anderem die Forderung nach der schnelleren Ausweisung krimineller Jugendlicher zurück. "Das sind junge Leute, die mit ihren Herkunftsländern überhaupt nichts mehr zu tun haben", sagte Arslan. Die CDU müsse Migranten stärker einbinden. Dazu eigne sich Kochs Strategie nicht. Pauschale Ausweisungsdrohungen erschwerten es der CDU, Zuwanderer an sich zu binden.

In einem offenen Brief haben 100 Organisationen von Zuwanderern in Deutschland Kochs Wahlkampf scharf kritisiert. Nach einem Bericht der "Frankfurter Rundschau" (Donnerstagausgabe) beklagen sie in dem an Koch und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerichteten Schreiben Vorurteile gegen Ausländer und warnen vor einer Spaltung der Gesellschaft. Statt konstruktiver Gespräche richte die CDU durch Wahlpolemik erheblichen Schaden an. Dies sei ein "herber Rückschlag für den für die gesamte Gesellschaft so wichtigen Integrationsdiskurs".

Rheinische Kirche gegen schärfere Jugendstrafen
In der Debatte über den Umgang mit Jugendkriminalität hat sich die rheinische evangelische Kirche für bessere Prävention und gegen höhere Strafen ausgesprochen. "Die Verschärfung des Jugendstrafrechts und 'erniedrigende Erziehungscamps' sind untaugliche Mittel", erklärte das Parlament der zweitgrößten deutschen Landeskirche am späten Mittwochabend in Bad Neuenahr.

Die Landessynode, die rund 2,9 Millionen Protestanten zwischen Niederrhein und Saar repräsentiert, wandte sich auch gegen eine Stigmatisierung ausländischer Jugendlicher. Strafverfahren müssten zeitnah erfolgen. Öffentliche Erziehung, Bildung und Betreuung müssten finanziell und personell so ausgestattet werden, "dass präventive, diagnostische und therapeutische Arbeitet gewährleistet ist", forderte die Synode in einer Erklärung.